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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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beschloss, sich ihm anzuvertrauen. Eine andere Wahl hatte sie ohnehin nicht.
    »Dieses Bild zeigt meine Großeltern und meine Mutter sowie einige andere Leute. Wichtig sind für mich diese beiden Personen.« Sie deutete auf die Schemen abseits der Gruppe. »Ich muss wissen, wer das ist.«
    Warum sie das wissen musste, sagte sie ihm nicht und Westermann fragte nicht danach, sondern sah das Foto nur eindringlich an.
    »Meinen Vater können wir nicht mehr fragen und wie ich am Stempel sehe, wurde diese Aufnahme vor über vierzig Jahren gemacht. Unwahrscheinlich, dass er sich noch daran erinnert hätte.«
    Missmutig schaute Lara Westermann an, der angesichts ihres Gesichtausdrucks lächeln musste. »Auch wenn wir ihn nicht mehr fragen können, so können wir doch das Bild fragen.«
    Lara runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«
    »Computer. Moderne Bildbearbeitung. Heute ist vieles möglich, wovon zu Zeiten meines Vaters nur zu träumen war. Ich denke, aus dieser Aufnahme lässt sich noch einiges herausholen. Vielleicht erkennen Sie die Personen, wenn ich das Foto bearbeitet habe.«
    Unwahrscheinlich, dachte Lara. Ich war damals noch nicht einmal geboren. Trotzdem, es war einen Versuch wert.
    »Was würde mich das kosten?«
    Er blickte sie an. Lara spürte, dass der Fotograf bereits ahnte, dass sie sich seine Dienste nicht leisten konnte.
    »Darüber können wir später immer noch reden. Jetzt lassen Sie uns erst einmal herausfinden, ob ich Ihnen überhaupt helfen kann.«
    »Wollten Sie nicht gerade weg?«, fragte Lara, die Westermann immer sympathischer fand.
    »Bloß ins Café. Heute ist wenig los und mir war langweilig«, gab er lächelnd zu.
    Lara lächelte zurück und streckte ihm die Hand entgegen.
    »Lara Winter. Vielen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit nehmen, mir zu helfen.«
    Er ergriff ihre Hand. »Nennen Sie mich Paul.«
    »Lara«, erwiderte sie sein Angebot.
    Westermann schwang die Tür auf. »Dann wollen wir uns mal an die Arbeit machen.«

52.
    Harry Beilstein prallte mit solcher Wucht auf den Asphalt, dass er einem Gummiball gleich wieder in die Luft geschleudert wurde. Zu seinem unsagbaren Glück landete er auf dem schmalen Grünstreifen, der die Fahrbahn von der Gegenspur trennte. Trotzdem brach er sich den linken Ober- und Unterarm, mehrere Rippen und den rechten Fuß. Zusätzlich erlitt er schwere Prellungen – aber er lebte.
    Noch während er aufschlug, sah er seinen geliebten Truck gegen den Brückenpfeiler rasen. Mit ohrenbetäubendem Krach donnerte der Lkw in den massiven Beton. Metall kreischte auf. Die Frontscheibe und die verbliebene Seitenscheibe explodierten in einem Orkan aus Glas und Splittern. Der Truck kam zum Stehen, erzitterte noch einmal, dann bewegte er sich nicht mehr.
    Keine Sekunde später erfüllte das schrille Quietschen von Bremsen die Luft. Harry sah mehrere verzweifelte Autofahrer, die versuchten, dem Hindernis auszuweichen. Aber nicht allen gelang es, rechtzeitig stehen zu bleiben oder dem Truck auszuweichen. Ein Fahrzeug – es war der verrostete Peugeot, den er kurz zuvor überholt hatte – reagierte zu spät und fuhr in das Wrack hinein. Harry fluchte stumm. Das hatte er nicht gewollt. Doch zu seiner großen Überraschung schwang die Fahrertür des kleinen Autos auf. Eine alte, weißhaarige Dame kletterte schimpfend heraus. Ihr Gezeter war bis hierher zu hören und verriet Harry, dass sie nicht schwer verletzt sein konnte.
    Über Harrys Gesicht zog ein gequältes Grinsen. Er lebte, auch wenn ihm jeder Knochen wehtat. Anscheinend war niemand außer ihm zu Schaden gekommen. Aber das Wichtigste war, dass dieses blöde Arschloch, das ihn gekidnappt hatte, nun Vergangenheit war. Was immer es auch gewesen sein mochte -jetzt war es tot!
    Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als die Beifahrertür seines Trucks auf die Fahrbahn geschleudert wurde. Funkenstiebend schrammte das Metall über die Straße und krachte gegen ein Fahrzeug, das dort zum Stehen gekommen war.
    Harry erschrak bis zum Grund seiner Seele. In seinem Kopf hämmerte nur ein Gedanke, nur ein Wort.
    Verdammt!
    Dann tauchte der schwarze Mann aus dem Gewirr von verbogenem Stahl auf und sprang auf die Straße hinab. Eine dünne Blutspur lief an seinem Mundwinkel das Kinn hinab. Anscheinend hatte er sich beim Aufprall auf die Zunge gebissen. Ansonsten sah er absolut unverletzt aus. Lässig strich er seinen schwarzen Mantel glatt, dann hob er den Kopf und sah Harry direkt an.
    Er lächelte.
    Harry

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