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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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niemanden.«
    »Vielleicht wollte sie nur allein sein und über alles nachdenken. Meinst du, sie ahnt etwas?«
    »Kann ich mir nicht vorstellen. Das Bild ist alt und unscharf. Sie wird darauf nicht viel erkennen.«
    »Trotzdem …«
    Beide schwiegen für den Moment.
    »Ob sie Rachel anruft?«, überlegte Max laut.
    »Ihre Mutter?«, echote Martha, so als könne sie sich nicht an den Namen ihrer Tochter erinnern.
    »Vielleicht solltest du sie anrufen oder herausfinden, ob sich Lara bei ihr gemeldet hat. Vielleicht weiß Rachel, wo sie sich aufhält.«
    »Ein Anruf würde sie nur misstrauisch machen.«
    »Da hast du recht«, gab Max zu. »Lassen wir das. Aber hat Lara denn nicht irgendetwas zu dir gesagt? Denk genau nach.«
    Martha erzählte ihm die ganze Szene und beendete ihren Bericht schließlich mit Laras letzten Worten, bevor sie gegangen war: »Du kannst es in einer Stunde wiederhaben, aber so lange behalte ich es. «
    »Was hat das zu bedeuten?«, grübelte Max. »Anscheinend wollte sie nicht weit weg. Eine Stunde ergibt eine einfache Wegstrecke von dreißig Minuten. Wo kann man von unserem Haus aus in dreißig Minuten hingehen?«
    »Vielleicht hat sie ein Taxi genommen oder ist mit dem Bus gefahren – sie könnte praktisch fast überall in Berlin sein.«
    »Glaube ich nicht. Lara hatte ein Ziel im Kopf und wusste, wie sie dorthin gelangen kann. Sie konnte nicht ahnen, dass du sie überraschst. Sie wusste, was sie mit dem Foto anfangen wollte, also hat sie spontan die Wahrheit gesagt.«
    »Das ist es!«, rief Martha aufgeregt ins Telefon.
    »Was? Ich verstehe nicht …«
    »Du hast gesagt ›was sie mit dem Foto anfangen wollte‹. Sie hat etwas mit dem Foto vor.«
    »Und was könnte das sein?«
    »Lara will das Foto jemanden zeigen. Fragen dazu stellen.«
    »Aber alle auf dem Foto …« Er zögerte, dann sagte er ruhig: »Fischer. Der alte Buchhändler. Er ist auf dem Foto. Wahrscheinlich hat ihn Lara erkannt und ist nun auf dem Weg zu ihm.«
    »Wäre möglich«, gab seine Frau zu. »Ich habe gesehen, dass Lara sich mit ihm auf der Party unterhalten hat. Das war, kurz bevor Damian auftauchte. Ich habe der Sache keine Bedeutung zugemessen.«
    »Also gut«, sagte der Professor. »Ich werde Fischer anrufen und ihn fragen, ob Lara bei ihm war. Vielleicht haben wir Glück und sie ist sogar noch dort. Dann soll er sie so lange dort festhalten, bis wir kommen.«
    »Was soll ich tun?«
    »Warte einfach, bis ich mich wieder bei dir melde.«

54.
    Unerträglich langsam war der zweite Bildabschnitt scharf geworden. Nun war sich Lara absolut sicher: Es war der alte Fischer – damals noch jung und mit einer blassen Frau an seiner Seite. Stocksteif standen sie da und starrten in die Kameralinse.
    Lara konnte es kaum erwarten, dass sich nun auch endlich die anderen Bildabschnitte aufbauten. Der dritte Teil der Aufnahme stand kurz vor der Vollendung der Nachbearbeitung. Als sich die Bildpunkte schärften, sah Lara direkt in die Augen ihres Großvaters, der ernst in die Kamera blickte. Neben ihm stand Laras Großmutter. Martha sah aus, als habe sie geweint. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. Sie hielt die Lippen zusammengepresst, als leide sie unter starken Schmerzen. Der Professor hingegen wirkte müde, vielleicht sogar apathisch. Fast schien es, als habe er zu viel Alkohol getrunken. Die Gesichtszüge waren schlaff, der Mund stand leicht offen. Sein Blick war entrückt.
    Lara sah die beiden Menschen lange an. Furcht schlich sich in ihr Herz. Auf dem Foto standen unverkennbar ihre Großeltern, aber gleichzeitig wirkten sie wie Fremde. Beide sahen unendlich erschöpft aus. Fast so, als habe ihnen jemand die Lebenskraft ausgesaugt, dachte Lara. Die Fotografie wurde ihr immer unheimlicher und sie ließ ihren Blick zu den anderen Personen schweifen, doch sie kannte niemanden von ihnen.
    »Der nächste Abschnitt wird scharf«, sagte Paul Westermann, der von ihrem Unbehagen nichts mitbekommen hatte.
    Laras Kopf ruckte auf den Teil des Bildes, der sich nun langsam herauskristallisierte. Es waren nur die Körper ihrer Großeltern und der neben ihnen stehenden Gäste und natürlich das Abbild ihrer Mutter im Säuglingsalter. Lara rückte mit dem Stuhl näher an den Monitor, um die Fotografie näher in Augenschein zu nehmen.
    Westermann sagte irgendetwas zu ihr, aber sie blendete seine Stimme aus, konzentrierte sich nur auf das, was sie sah. Ein Kleinkind im weißen Kleidchen mit Rüschen, die Arme nackt. Das Gesicht war

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