Die Stadt der gefallenen Engel
Liebe zu geben – etwas, von dem er geglaubt hatte, es nie wieder empfinden zu können. Er weinte und seine Tränen fielen neben Arias’ Blut in den Staub.
»Verzeih mir«, flehte Damian.
Arias hob müde sein Haupt. Das wenige Licht, das von draußen hereinfiel, funkelte in seinen gebrochenen blauen Augen, die im Todeskampf golden schimmerten.
»Dann hast du doch noch erkannt, dass dein Weg ins Unheil führt und du dem falschen Herren dienst?«, keuchte er schwer.
»Ja, Arias. Das habe ich.«
»Dann hat mein Tod einen Sinn.«
»Ich wollte dich nicht töten. Bitte glaube mir.«
Arias lächelte. »Ich weiß, all diese Finten und Riposten. Immer hast du versucht, mich nicht zu treffen, aber mein Zorn war größer als dein Edelmut und so ist es geschehen. Man kann nicht mit der Klinge tanzen, ohne sich zu verletzen.«
Ein Beben durchlief seinen Körper. »Bald ist es vorbei.«
Damian schwieg. Er beugte sich vor und umarmte Arias, hielt ihn fest, während das strahlende Licht seiner Seele aus seinem Körper floss.
»Ich muss dich jetzt verlassen«, sagte Arias leise.
Dann verging er in einem Lichtblitz.
Und Damian kniete allein im Staub und sein Herz zersprang vor Trauer. »Warum?«, schrie er zum Himmel auf.
Seine Gefühle drohten, ihn zu übermannen. Ein Sturm aus Schmerz, Trauer und Wut ließ Damian wie betäubt zum Ausgang der Fabrikhalle taumeln. Als er hinaus ins Freie getreten war, dachte er an Lara. Als er sich ihr Gesicht vorstellte, durchströmte ein vibrierendes Gefühl seinen ganzen Körper.
Wo war sie? Ging es ihr gut? Er musste unbedingt mit ihr reden. Ihr alles erklären. Vielleicht gab es doch einen Weg für sie beide.
Arias war tot, aber Lara lebte.
Er musste zu ihr.
Als Arias starb, erschütterte sein Tod die Engel auf dieser Welt. Sein Schmerz raste um den Globus und überall blieben Engel mitten in der Bewegung stehen, senkten das Haupt und trauerten um einen ihrer Brüder. So wie Gabriel ihr Führer in dieser Welt war, so war Arias das Licht gewesen, das ihnen im Dunkeln geleuchtet hatte. Sein Mut und seine Tatkraft hatten die anderen Engel zu ihm aufblicken lassen.
Sein Tod war ihr Schmerz.
Gabriel stand im Park am Flussufer. Seine Augen waren geschlossen. Er betete zum Schöpfer aller Dinge, als feurige Flammen durch seinen Leib rasten und Arias’ Name in seinem Geist gewispert wurde. Er riss die Augen auf. Schwindel packte ihn und ließ ihn gegen einen Baumstamm taumeln. Vor Schmerzen gekrümmt und das Gesicht in den Händen vergraben, weinte er um den Tod seines Freundes.
Lange kauerte er so da. Weinend.
Aber als er sich wieder erhob, lag keine Trauer mehr in seinem Blick.
Nur noch Zorn und Entschlossenheit.
Asiszaar schritt zu der alten Frau hinüber, die reglos auf dem Dielenboden lag. Er beugte sich hinab und sog tief die Luft ein. Die Frau lebte noch, war aber ohnmächtig. In seiner Wut hatte er sie zu hart angefasst. Nun konnte sie ihm nicht die entscheidende Frage beantworten, wo er das Mädchen finden würde.
Er verfluchte die Alte und spuckte auf sie hinab. Dann überlegte er, was er tun konnte. Plötzlich klingelte das Telefon. Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Asiszaars Kopf ruckte herum, als er die Stimme der Frau hörte, die bewusstlos vor ihm auf dem Boden lag. Dann erklang ein Pfeifton und eine männliche Stimme sprach.
»Ich bin es noch mal, Martha. Geh ans Telefon.«
Eine Pause.
»Wo bist du denn?«
Eine weitere Pause.
»Ich kann Fischer nicht erreichen, seine Leitung ist ständig belegt. Es noch länger zu versuchen, macht keinen Sinn, also fahre ich jetzt zur Buchhandlung. Vielleicht ist Lara ja noch dort. Bleib du zu Hause, falls sie sich meldet. Ich rufe später noch mal an.«
Wieder erklang ein Pfeifton.
Ein grausames Lächeln zog über Asiszaars Gesicht. Er wusste jetzt, wo er das Mädchen finden konnte.
Nicht mehr lange und sie war sein.
Als Asiszaar das Haus verließ und in den schwarzen Saab einstieg, wurde er von einem jungen Mann mit goldenem Haar und himmelblauen Augen beobachtet.
Sanael hatte Arias’ Tod durchlitten. Noch immer fühlte er sich schwach und kraftlos. Seine Glieder zitterten. Als er an sich herabsah, bemerkte er, dass seine linke Hand unruhig zuckte, aber er konnte jetzt nicht ruhen oder seinen Geist durch ein Gebet trösten.
Sanael stand im Schutz einer Hecke auf der anderen Straßenseite und beobachtete, wie das Fahrzeug das Grundstück der Hermsdorfs verließ. Er hatte die Ankunft des dunklen
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