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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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nahm sie wieder ihre Umgebung wahr. Ihr Weg hatte sie in einen für sie vollkommen unbekannten Stadtteil von Berlin gebracht. Es war noch Tag, aber langsam zog die Dämmerung herauf.
    Wo sollte sie jetzt hingehen?
    Sie drehte sich verwirrt um die eigene Achse.
    Und dann begann es zu regnen.

60.
    Max riss die Tür zum Buchladen so kraftvoll auf, dass die Glasscheiben klirrten. Mit einem Satz nach vorn betrat er den Raum und sah sich hastig um. Hinter ihm donnerte die Tür ins Schloss. Das Bimmeln der Glocke ging in diesem Lärm unter.
    Aus dem Hintergrund huschte der alte Fischer heran. Sein Gesicht war bleich, die Augen erschrocken aufgerissen. Mit fahrigen Bewegungen stopfte er sein Hemd in die Hose und strich sich über das zerwühlte Haar. Wahrscheinlich hatte der Alte ein Nickerchen gemacht und das Telefon ausgesteckt.
    Der Professor fluchte stumm und verwünschte den Buchhändler bis zum letzten Tag seines erbärmlichen Lebens.
    Noch bevor Fischer etwas sagen konnte, fragte Max: »Lara? Ist Lara hier?«
    Der alte Fischer glotzte ihn verwirrt an. »Lara? Nein, die ist nicht hier«, stammelte er. »Wieso auch? Warum …«
    Weiter kam er nicht.
    »War sie hier?«, brüllte Max ihn an.
    »Nein, nein, nein«, versicherte der Buchhändler hastig.
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja doch.«
    Verdammt! »Und Ihr Enkel?«
    »Was ist mit ihm?«
    »Hat er sie gesehen?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Er war die ganze Zeit im Lager und …«
    »Holen Sie ihn her!«, befahl Max.
    Fischer hastete davon. Dann war zu hören, wie er nach seinem Enkel rief. Kurz darauf schlurfte Robert Fischer gelangweilt in den Laden. Der Professor fixierte ihn aus zusammengekniffenen Augen.
    »Hör zu, du schwarzer Bastard, ich frage dich nur einmal, und wenn du mich belügst, jage ich dich in die Hölle zurück, aus der du Made hervorgekrochen bist. Wo ist meine Enkeltochter?«
    Robert Fischer gab seine menschliche Gestalt auf und verwandelte sich in einen Dämon. Er war nun fast zwei Meter groß, sehr hager und ähnelte nur noch bedingt einem Menschen, da sein ganzer Körper ohne Haut war und man die offen liegenden Muskeln und Sehnen sehen konnte. Ein kleiner verkümmerter Schädel ruhte auf einem dürren Hals und pendelte bei jeder Bewegung hin und her. Rote Augen lagen tief in den Höhlen und starrten den Professor hasserfüllt an.
    »Das Mädchen ist nicht hier, Hermsdorf, und du bist nicht in der Lage, mir zu drohen. Deine Macht über uns ist Vergangenheit. Satan wird bekommen, was sein ist.«
    Und Max Hermsdorf spürte das Gewicht der Schuld. Nach all den Jahren wurde ihm das wahre Ausmaß seines Frevels bewusst.
    Er senkte den Kopf und atmete tief ein.
    In seinem Kopf hämmerte nur noch ein Gedanke: Rette Lara!
    Seine Faust schoss vor und packte die Kreatur am dürren Hals. Noch immer war er stark. In Sachen Kraft konnte er es mit wesentlich jüngeren Männern aufnehmen. Der Dämon öffnete seinen Mund mit den spitzen Zähnen und japste nach Luft.
    »Du widerliche Kreatur! Wenn du es noch einmal wagst, so mit mir zu sprechen, dann schwöre ich bei Gott, werde ich dich töten!«
    Der Dämon grinste höhnisch. »Gott? Gott hat dich längst verlassen, alter Mann. Du hast ihn verraten. Dich mit dem Teufel verbündet. Nun bezahl auch den Preis dafür.«
    Max konnte nicht mehr an sich halten. Seine Wut, aber auch die Sorge um Lara ließen ihn vergessen, wer oder was er war. Mit einem Aufschrei schmetterte er dem Dämon die Faust so fest ins Gesicht, dass dessen Wangenknochen brachen.
    Das Monster wimmerte auf und sank zu Boden, dort versuchte es verzweifelt, unter einen Tisch zu kriechen, aber Max hatte die Kreatur an einem Fuß gepackt und schleifte sie wieder hervor. Er wollte gerade nach dem Dämon treten, als hinter ihm mit lautem Krachen die Glastür in den Raum flog. Max fuhr herum und erstarrte mitten in der Bewegung.
    Im Türrahmen stand ein dunkler Engel. In beiden Fäusten hielt er gebogene schwarze Klingen. Das durch Narben verunstaltete Gesicht war zu einem breiten Grinsen verzogen.
    »Wie ich sehe, bin ich hier richtig«, grollte seine tiefe Stimme. »Und jetzt – auf die Knie!«
    Aus dem Hintergrund katzbuckelte der alte Buchhändler heran. Noch immer in seiner menschlichen Gestalt, verbeugte er sich unterwürfig.
    »Herr …«
    Eine der schwarzen Klingen fuhr zischend durch die Luft. Die Bewegung war zu schnell für das menschliche Auge, aber das Geräusch fuhr Max durch Mark und Bein. Dann polterte der Kopf des alten Fischer auf

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