Die Stadt der Heiligen (German Edition)
und sagte: «Das tue ich nicht. Mein Name ist Theophilus, wie Ihr unschwer an meinen gesiegelten Vollmachten erkennen könnt.»
«Schluss mit diesem Unfug!» Scheiffart schlug ungehalten mit der flachen Hand auf den Tisch. «Lasst Bruder Theophilus sofort los! Er ist ein wichtiger Zeuge und wird in dem Prozess gegen Marysa Markwardt seine Aussage machen. Damit können wir beweisen, dass sie sich des Handels mit falschen Reliquien schuldig gemacht hat, und dafür wird sie brennen.»
***
An der Saaltür stand ein junger Mann im Priesterhabit und lauschte Scheiffarts Worten mit Entsetzen. Er war zu spät zu der Feier erschienen; hatte ihr ursprünglich sogar ganz fernbleiben wollen. Sein schlechtes Gewissen machte es ihm schwer, mit Menschen, denen er erst kürzlich großen Schaden zugefügt hatte, nun an einem Tisch zu sitzen und zu feiern. Nur sein Pflichtgefühl dem Stiftskapitel gegenüber hatte ihn bewogen, doch noch ins Rathaus zu kommen. Wenn er seine Stellung im Stift und die Pfründe, die ihm winkte, nicht aufs Spiel setzen wollte, musste er den Schein wahren.
Aber nun wollten sie Marysa also wirklich wegen Ketzerei verurteilen und auf den Scheiterhaufen bringen! Ihm wurde eiskalt bei dem Gedanken, auch noch für ihren Tod mitverantwortlich zu sein. Er hatte schon zu viele Menschenleben auf dem Gewissen. Das war es nicht wert!
«Das dürft Ihr nicht tun!», rief er mit plötzlicher Entschlossenheit.
Die Köpfe aller Anwesenden drehten sich ruckartig zu ihm um.
Seine Stimme klang ein wenig zittrig, war jedoch deutlich zu hören, als er sagte: «Ich … ich kann bezeugen, dass dieser Mann dort nicht Theophilus ist.»
Scheiffart sprang erregt auf. «Fulrad! Was hast du hier zu suchen?»
Christophorus ließ den Augustiner überrascht los und drehte sich zu dem jungen Priester um, der nun zögernd näher kam. «Wer seid Ihr?»
«Mein … mein Name ist Fulrad van Eyse. Ich bin seit kurzem Mitglied des Aachener Marienstifts und …»
«Halt dich hier raus und verschwinde in deine Schreibstube», knurrte van Kettenyss. «Du hast hier nichts zu suchen.»
Doch Fulrad kam immer näher.»Ich kann nicht länger schweigen. Ihr wollt Marysa Markwardt für etwas verurteilen, was sie nicht getan hat.» Seine Stimme wurde mit jedem Wort fester. «Sie hat niemals mit gefälschten Reliquien gehandelt, ebenso wenig wie ihr Gemahl. Und er hat auch nicht seinen Gesellen Klas umgebracht …» Er holte tief Luft. «Ich war es.»
Ungläubiges Raunen ging durch die Reihen der Anwesenden.
Scheiffart fluchte. «Verdammt noch eins!»
«Es … es gab wirklich einen Handel mit falschen Reliquien, aber dieser ging von einem unserer Kanoniker aus. Klas hatte das herausgefunden und wollte den Domherrn erpressen.» Fulrad verschluckte sich fast, so hastig sprach er weiter: «Und dann fing Meister Markwardt an, sich in der Stadt umzuhören. Er fand heraus, dass Bruder Theophilus die gefälschten Reliquien für uns verkaufte. Ich glaube, er kam auf die Idee, selbst in den Reliquienhandel einzusteigen. Aber er wollte auch den Domherrn bei den Schöffen anzeigen, um ihn aus dem Weg zu haben. Deshalb sollte ich Meister Markwardt auch umbringen.»
«Ihr wart das?» Christophorus musterte den schmächtigen jungen Mann überrascht.
Fulrad nickte. «Ja, das heißt, also, ich nahm Ropert mit.» Er wies auf den Augustiner. «Er war vorher immer mit Theophilus herumgezogen. Wir haben Meister Markwardt zur Kreme gelockt und dort … ähm …»
«Erstochen», ergänzte Christophorus. «Wer von Euch hat es getan?»
«Er!» Ropert deutete wild auf Fulrad. «Er hat es getan. Ich stand nur dabei.»
Christophorus warf ihm einen vernichtenden Blick zu, wandte sich jedoch sofort wieder an Fulrad. «War es so? Habt Ihr Meister Markwardt erstochen?»
Fulrad machte ein bedrücktes Gesicht. «Ich … ich weiß es nicht. Es gab ein Gerangel. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, wer von uns beiden zugestochen hat.»
«Lügner!», schrie Ropert erregt. «Er war es. Er hat ihn umgebracht!»
«Warum kommt Ihr plötzlich mit dieser Geschichte?» Der Bürgermeister hatte ein paar Männern gewinkt, die sich neben Ropert stellten und ihn festhielten. Zwei weitere postierten sich an der Saaltür, um zu verhindern, dass jemand flüchtete.
Fulrad knetete den Ärmel seines Habits. «Ich … halte es einfach nicht mehr aus! Marysa wurde in die Acht gesperrt, obwohl sie gar nichts getan hat. Ich will nicht, dass ihr etwas geschieht. Wir … wir haben als Kinder
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