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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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zusammen gespielt, und nun …»
    «Warum habt Ihr Euch überhaupt dazu hergegeben?», fragte Christophorus. «Was hat Johann Scheiffart Euch dafür versprochen?»
    «He, Moment mal!», rief Scheiffart empört. «Jetzt reicht es aber! Erst zeigt mich dieser Schreinbauer an, und jetzt behauptet Ihr, ich sei für die Morde verantwortlich?»
    «Aber nein!», rief Fulrad verblüfft. «Nicht der Domherr Scheiffart. Er hat damit nichts zu tun. Es ist Ulrich van Kettenyss. Er hat mir einen hohen Posten und eine große Pfründe versprochen. Ich wollte nicht immer der niedrigste Kanoniker bleiben, deshalb habe ich mitgemacht. Aber wenn Marysa dafür sterben soll … Das ist es nicht wert. Ich kann das nicht zulassen.»
    «Wie bitte?», fuhr van Kettenyss auf. «Ich soll dafür verantwortlich sein? Das ist ja ungeheuerlich!»
    «Das ist es allerdings», sagte der Schöffe van Eupen, während er sich durch die umstehenden Männer nach vorne drängte. «Ich halte es für angebracht, die anwesenden Domherren hinüber in die Acht zu bringen, bis die Angelegenheit geklärt ist.»
    «Auf gar keinen Fall», protestierte Johann Scheiffart, warf van Kettenyss jedoch einen verächtlichen Blick zu. «Der Propst ist dafür zuständig. Er muss verständigt werden.»
    «Das wird er, verlasst Euch darauf», sagte van Eupen.
    Nun trat auch der Schöffenmeister hinzu und befahl: «Dennoch werden alle Anwesenden, die in diese Angelegenheit verstrickt sind, umgehend festgenommen.» Er wandte sich an Bardolf. «Haltet Euch für eine Aussage vor dem Gericht bereit, Meister Goldschläger. Und gebt Frau Jolánda Bescheid, dass ihre Tochter sofort freigelassen wird.»

40. Kapitel
    M arysa stand auf dem Friedhof und blickte unverwandt auf Reinolds Grab hinab. Es regnete in Strömen, und Imela, die sie begleitete, hatte schon mehrfach zum Aufbruch gedrängt. Doch Marysa blieb. Sie spürte, wie der Regen ihre Haube und das Kleid durchnässte, doch es machte ihr nichts aus.
    Ihre Gedanken kreisten um Fulrad, ihren Freund aus Kindertagen. Niemals hätte sie vermutet, dass er aus Ehrgeiz und Habgier zum Mörder geworden war. Gewiss, bevor er ins Kloster gegangen war, hatte er ihr vorgeschwärmt, welch großartige Karriere eine Kirchenlaufbahn ihm bieten konnte. Aber er war nie hinterhältig oder brutal gewesen. Im Gegenteil, sie hatte ihn immer als sehr sanftmütig in Erinnerung gehabt. Und letztlich hatte diese Seite an ihm ja auch gesiegt.
    Der Prozess gegen ihn und den Kanoniker van Kettenyss war noch nicht völlig abgeschlossen, aber es ging das Gerücht, dass beide auf eine Bußpilgerfahrt geschickt werden sollten. Es hieß, der Bischof wolle sie barfuß nach Jerusalem ziehen lassen. Was danach mit van Kettenyss geschehen würde, wusste noch niemand; aber sollte Fulrad die Pilgerreise überleben und jemals wieder zurückkehren, so hatte er sein restliches Leben als niederster der Augustinerbrüder im Kloster zu verbringen, dessen Grund und Boden er bis zu seinem Tode nicht mehr würde verlassen dürfen.
    Marysa legte den Kopf in den Nacken und ließ den Regen auf ihr Gesicht niederprasseln. Ropert, der in Wirklichkeit kein Mönch, sondern ein Laienbruder war, wurde vermutlich der weltlichen Gerichtsbarkeit übergeben.
    Langsam richtete Marysa ihren Blick wieder auf den Grabhügel. Reinold hatte den Tod nicht verdient, ganz gleich, wie schlecht er sie behandelt hatte. Inzwischen spürte sie auch ein leichtes Gefühl der Trauer, doch es wurde überdeckt von etwas, dessen sie sich abgrundtief schämte – Erleichterung.
    Bei ihrer Vermählung hatte Reinold auf das Drängen ihrer Mutter hin einen Erbvertrag aufsetzen lassen. Er enthielt in etwa die gleichen Zugeständnisse, die ihr Vater Jolánda gegenüber gemacht hatte. Marysa begriff langsam, was das bedeutete. Sie war nun eine wohlhabende Witwe, auch wenn ihr das im Augenblick nur wenig Trost spendete.
    Sie erbte das Haus und eine nicht geringe Leibrente. Auch ihre Mitgift und der gesamte Hausrat fielen ihr zu. Gewiss, die Schreinwerkstatt durfte sie nicht weiterführen, es sei denn, sie vermählte sich innerhalb von zwei Jahren mit einem anderen Schreinbauer, gleich ob Meister oder Geselle. Ein Geselle würde dann durch sie den Meistertitel erhalten.
    Aber sie hatte nicht vor, noch einmal zu heiraten. Die Ehe war in ihren Augen ein Gefängnis. Sie wollte niemals wieder von einem Mann derart abhängig sein, wollte nicht, dass er über sie bestimmte, wie es ihm beliebte.
    Mit der Schuhspitze schob sie

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