Die Stadt der Heiligen (German Edition)
verschränkte die Arme vor dem Leib und sah ihn abweisend an. Was wusste er schon?
Vater Ignatius druckste herum. «Habt Ihr ihm einen Grund … Ich meine, gab es einen Streit zwischen Euch? Ihr, äh, Ihr habt ihm doch nicht das eheliche Lager verweigert?»
Marysa starrte ihn an. «Wollt Ihr vielleicht andeuten, es sei meine Schuld, wenn mein Gemahl sich in diesem Hurenhaus herumtreibt?»
Balbina kam mit dem Most herein und musste ihre Worte wohl gehört haben, denn sie reichte dem Priester den Becher mit verächtlichem Blick und zog sich dann eilig wieder in ihre Küche zurück.
«Aber nein, gute Frau.» Vater Ignatius wand sich vor Verlegenheit. «Aber manchmal reagieren Männer, ich will sagen … Wenn es einen Streit gegeben haben sollte …»
«Hat es aber nicht», fauchte Marysa.
«Nun gut.» Der Priester zog den Kopf zwischen die Schultern. «Es mag ja viele Gründe geben … Verfahrt milde mit ihm, Frau Marysa. Ihr wisst ja, dass eine der größten Tugenden der Frau die Güte ist.»
«Aber ja doch.» Marysa kochte inzwischen vor Wut. «Ich werde ihm danken für die Sorgen, in die er mich versetzt hat, weil er seit gestern Mittag verschwunden war. Und für den Besuch bei den feilen Weibern werde ich ihm ganz bestimmt die Füße küssen.»
Verschreckt über ihren ätzenden Tonfall, wich Vater Ignatius vor ihr zurück. «Nein, also so war das nicht gemeint. Ihr seid jetzt rechtschaffen wütend. Das ist nur zu verständlich. Ich möchte Euch nur den Rat geben, Euch auf Eure Güte und fromme Hingabe als Ehefrau zu besinnen, bevor Ihr …»
«Was? Bevor ich ihm den Hals umdrehe?», fauchte Marysa. Sie brannte innerlich. All die Sorgen und Ängste der vergangenen Stunden entluden sich in einer heißen Flamme des Zorns. «Keine Angst, das werde ich nicht tun. Aber wenn er aus seinem Rausch aufwacht, wird er sich vielleicht wünschen, ich täte es. Und weder Ihr noch sonst irgendjemand hat das Recht, mir zu sagen, wie ich mich Reinold gegenüber zu verhalten habe. Soll er doch herumhuren, soviel er will! Er wird schon sehen, was er davon hat.»
«Mäßigt Euch, meine Tochter.» Vater Ignatius war erschrocken noch einen Schritt zurückgetreten. «Ihr solltet den Zorn des Herrn nicht auch noch auf Euch ziehen.»
«Herrin?» Jaromir streckte den Kopf zur Tür herein. «Der Meister scheint aufzuwachen. Er hat ins Bett gekotzt.»
«Wunderbar.» Marysa verdrehte die Augen. «Entschuldigt mich kurz.» Sie eilte hinauf in die Schlafkammer und besah sich die Bescherung. Zum Glück hatte es nur Reinolds Wams und eines der Kissen erwischt. Sie zerrte es aus dem Bett und mühte sich dann mit Grimolds Hilfe, ihrem Gemahl die Kleider auszuziehen. Diese übergab sie Imela und trug ihr auf, einen Putzeimer zu holen. «Wir stellen ihn neben das Bett. Ich hoffe, Reinold ist klug genug, sich dahinein zu erbrechen.» Mit gerümpfter Nase verließ sie die Schlafkammer wieder und ging zurück in die Werkstatt.
Dort erblickte sie den Priester, der gerade seine Nase in einen der aufklappbaren Schreine im Regal steckte.
«Was tut Ihr da?»
Vater Ignatius zuckte zusammen und fuhr herum. «Ich, äh, ich bewundere die Arbeiten Eures Gemahls. Höchst gottgefällig. Einen solchen Schrein würde ich auch sehr gerne mein Eigen nennen.»
Marysa blickte genervt zur Decke. «Verzeiht, aber ich glaube nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, eine Bestellung aufzugeben.»
«Nein, gewiss nicht.» Vater Ignatius nickte. «Aber ich würde gerne darauf zurückkommen. Ihr habt während der Kirmes einen Stand beim Dom, wie ich hörte? Dort kann ich Euren Gemahl sicher antreffen, nicht wahr?»
«Wenn er wieder alle Sinne beisammenhat», bestätigte Marysa. «Aber nun möchte ich Euch bitten zu gehen.»
«Natürlich.» Der junge Pfarrer trank den Rest Most aus und reichte ihr den leeren Becher. «Ihr wollt Euch nun um Euren Gemahl kümmern.»
«Nein, eigentlich möchte ich noch ein wenig schlafen», berichtigte sie ihn giftig. «Ich hatte gestern einen langen Tag und habe einen weiteren mit viel Arbeit vor mir. Gehabt Euch wohl, Vater Ignatius.» Damit hielt sie ihm die Tür auf und schob geräuschvoll den Riegel vor, nachdem er das Haus verlassen hatte. Sie stellte den Becher auf den Tisch und wollte die Werkstatt eben verlassen, als ihr ein merkwürdiger Gedanke kam. Sie blieb stehen und blickte zu dem Schrein, den der Pfarrer vorhin geöffnet hatte. Langsam ging sie zum Regal und nahm das Kunstwerk vorsichtig heraus. Sie klappte den
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