Die Stadt der Heiligen (German Edition)
er musste Estella recht geben. Nach der Hitze des Tages und der schwülwarmen Luft des Abends war der Bach ein Genuss. Er tauchte den Kopf unter und kam dann mit einem Prusten wieder hoch.
Estella lachte, als er sich wie ein Hund schüttelte. Sie räkelte sich neben ihm und blickte zum nachtschwarzen Himmel hinauf. «Sieh mal, die vielen Sterne. Schön, nicht wahr?», murmelte sie. «Stimmt es, dass es Männer gibt, die aus ihnen die Zukunft lesen können?»
Christophorus folgte ihrem Blick und nickte. «Die gibt es. Möchtest du denn deine Zukunft gerne wissen?»
Estella überlegte einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf. «Nein, lieber nicht. Was, wenn mir nicht gefällt, was auf mich zukommt? Da bleibe ich doch lieber unwissend und genieße stattdessen den Augenblick.» Sie rollte sich mit einer anmutigen Bewegung über ihn und schlang ihre schlanken Beine um seine Hüften. Sanft ließ sie ihre Fingerspitzen über seinen breiten Brustkorb wandern, streichelte über die Muskeln an seinen Oberarmen und spielte dann mit dem kleinen, mit Ranken verzierten silbernen Kruzifix, das er um den Hals trug. «Du machst noch immer ein viel zu ernstes Gesicht», meinte sie. «Entspann dich. Niemand wird uns hier stören. Und es ist eine so schöne Nacht.» Sie griff ins Wasser und begann, seine Bruch aufzunesteln.
Christophorus legte seine Hände auf ihre schmalen Hüften. Er spürte die Hitze ihrer Haut durch das nasse Leinen ihres Kittels hindurch. Sein Körper reagierte wie immer auf sie, doch konnte er seine Gedanken einfach nicht auf sie konzentrieren.
Bevor sie ihm seine Bruch ganz ausziehen konnte, hielt er sie sanft an den Handgelenken zurück. «Nicht», sagte er. «Es tut mir leid, Estella, aber es geht heute nicht.»
Sie glitt von ihm herunter, ohne jedoch beleidigt zu sein. Sanft schmiegte sie sich an ihn. «Was ist los mit dir?» Christophorus schwieg, denn das fragte er sich auch gerade.
«Ist es wegen dieser Frau?» Estella legte ihren Kopf auf seine Schulter. «Sie beschäftigt dich, nicht wahr?»
Ratlos starrte er erneut zu den Sternen empor. «Nein», sagte er. «Nicht wegen ihr. Es ist …» Er richtete sich auf. Wem machte er eigentlich etwas vor? Natürlich war es wegen Marysa. Er bekam ihr verdammtes Gesicht einfach nicht mehr aus dem Kopf!
Er strich sich die nassen Haare zurück. «Ich weiß es nicht.» Umständlich stand er auf und kletterte aus der Mulde. «Sei mir nicht böse, Estella. Ich werde jetzt zurück zum Konvent gehen. Für morgen muss ich noch einen Stapel neue Ablassbriefe anfertigen.»
«Schade.» Auch Estella kam aus dem Wasser und zog sich, nass, wie sie war, ihr Kleid über den Kopf. Sie beobachtete Christophorus beim Ankleiden, dann trat sie noch einmal auf ihn zu und legte ihm die Arme um den Hals. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, dennoch hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange. «Kommst du bald wieder her?»
Er nickte leicht. «Ganz sicher. Bald.»
Damit wandte er sich ab und ging in Richtung Stadttor davon.
Estella ging zum Feuer zurück und ließ sich neben ihrer Mutter nieder. Außer Gizella und Winand war niemand mehr dort. Der Rest der Truppe hatte sich bereits zum Schlafen niedergelegt.
«Nun?», fragte Gizella beiläufig. «Ich dachte, Christophorus bleibt bis zum Morgen?»
Estella lehnte müde den Kopf gegen die Schulter ihrer Mutter. «Er ist gegangen, und ich bin mir nicht sicher, ob er noch einmal zurückkommt.»
***
Verärgert über sich selbst starrte Christophorus an dem verschlossenen Ponttor empor. Er hatte dem Wächter eine Münze gegeben, damit er ihm jederzeit die kleine Schlupfpforte öffnete, für den Fall, dass Christophorus noch vor Sonnenaufgang zurück in die Stadt wollte. Nun war es gerade eine halbe Stunde nach Mitternacht, der Wächter reagierte jedoch nicht auf sein Klopfen. Vermutlich schlief er tief und fest.
Was nun? Zurück zu den Gauklern würde er heute auf keinen Fall gehen. Er fürchtete, dass er Estella mit seiner Zurückweisung verletzt haben könnte. Außerdem tat es wirklich not, seinen Vorrat an Urkunden bis zum Morgen aufzufüllen.
Er wandte sich ab und ging ein Stück den Weg zurück, den er gekommen war. Dann bog er nach rechts ab und wanderte durch die Gassen der Vororte, die von den Zelten und provisorischen Unterkünften der Pilger gesäumt wurden, bis er das Kölntor erreichte. Hier hatte er mehr Glück. Auf sein Klopfen hin fing ein großer Hund an zu bellen, was den Wächter alarmierte. Dieser ließ
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