Die Stadt der Heiligen (German Edition)
seinem Liebchen in Mettels Hurenhaus geflüstert haben. Schau nicht so entsetzt, ich weiß genau, dass du weißt, wovon ich spreche. Scheinst ja nicht die besten Qualitäten einer Ehefrau zu besitzen, wenn er sich schon nach weniger als einem Jahr auswärts verlustiert.»
«Verschwinde, Hartwig!», presste Marysa zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
«Aber sicher doch. Glaub mir, deine Gesellschaft ist nicht so anregend, dass ich sie länger als nötig in Anspruch nehmen möchte. Aber richte Reinold aus, dass er noch Ärger mit mir bekommt. Ich lasse mich nicht so einfach übervorteilen, hast du verstanden?» Er wandte sich ab, drehte sich jedoch mit einem wölfischen Grinsen noch einmal um. «Wo steckt denn eigentlich dein Beschützer, dieser Klosterbruder? Oder wartet er zu Hause auf dich und wärmt dir schon mal das Bett? Wenn Reinold des Nachts fort ist, bleibt euch ja genügend Zeit für sündhaftes Treiben.» Sein Grinsen verbreiterte sich noch eine Spur. «Was für ein Witz. Setzt ihrem Mann Hörner auf, während der sich im Hurenhaus amüsiert. Ich hoffe, dein Klosterbruder hat mehr Freude an dir als Reinold. Aber die Pfaffen sind vielleicht nicht so wählerisch, wer weiß.»
«Hör sofort auf!» Marysa spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. «Wie kannst du nur so etwas behaupten! Zwischen Bruder Christophorus und mir ist rein gar nichts. Er war Aldos Freund und hat ihm auf dem Totenbett versprochen, sich um mich zu kümmern. Und all diese gemeinen Andeutungen sind erstunken und erlogen! Was versprichst du dir davon, Hartwig? Bist du so neidisch auf Reinold, dass du ihn und mich öffentlich verunglimpfen musst?» Ihre Stimme wurde immer lauter. Die ersten Leute drehten sich bereits zu ihnen um. «Du kannst Reinold meinetwegen unterstellen, was du willst, aber ich habe mir nichts vorzuwerfen.»
«Ha, da schwelt also doch ein kleines Feuer unter der Schale, wie?» Hartwig sah sie unbeeindruckt an. «Hast also doch ein bisschen was von deiner Mutter geerbt. Dachte ich es mir doch. So ein streitsüchtiges Naturell musste schließlich durchschlagen.» Er lachte gehässig, wurde jedoch gleich wieder ernst. «Hör zu, Marysa. Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte. Richte es Reinold aus, oder lass es bleiben. Aber eines ist gewiss, wir sehen uns noch. Und wenn ich die Sache vor den Richter bringen muss.» Damit wandte er sich endgültig ab und ließ sie einfach stehen.
Marysa drehte sich mit einem Ruck um und ging zu ihrem Verkaufsstand zurück. In der Hand hielt sie noch immer die angebissene Pastete. Einen Moment lang sah sie sie unentschlossen an. Der Appetit war ihr gründlich vergangen. Da ihr Magen allerdings noch immer vernehmlich knurrte, würgte sie die Pastete schließlich doch hinunter und trank mehrere Schlucke Wasser aus ihrem Trinkschlauch hinterher.
Grimold half ihr, einige der kleinen Reliquiare mit Lederschnüren zu versehen. Sie sah ihm an, dass er liebend gerne gewusst hätte, was sie mit ihrem Vetter geredet hatte, doch sie schwieg und verbot ihm, Reinold gegenüber zu erwähnen, dass Hartwig hier gewesen war.
Wenig später kehrte Jaromir zurück und berichtete, Balbina und Imela, denen Marysa einen freien Tag gegeben hatte, seien noch nicht von ihren Familienbesuchen zurückgekehrt und dass, während er die leeren Kisten in die Remise getragen hatte, Vater Ignatius vorbeigekommen sei.
«Er hat nach dem Meister gefragt und ob er hier am Dom ist. Ich hab ihm gesagt, der Meister wäre in Geschäften unterwegs, aber wenn er einen Schrein kaufen will, kann er auch zu Euch kommen. War das richtig, Herrin?»
Marysa nickte. «Das war richtig, Jaromir. Vielen Dank. Und nun nimm diese Münzen und schau, wie viele Krapfen du dafür kaufen kannst. Irgendwo dort drüben», sie wies vage zum anderen Ende des Parvischs, «muss ein Krapfenbäcker seinen Stand haben.»
Jaromir strahlte. «Ja, Herrin. Sofort, Herrin. So viele ich tragen kann!» Er rannte los und drängte sich eifrig durch die Menschen, die zwischen den Verkaufsständen flanierten.
Der Mittag ging gerade in den Nachmittag über, und da die meisten Pilger sich um diese Zeit darum bemühten, etwas Essbares in den Magen zu bekommen, leerte sich der Parvisch für kurze Zeit. Die meisten Garküchen und Bratereien fand man am und um den Marktplatz, und dorthin strömten die Massen nun. Das Stimmengewirr nahm ein wenig ab, dafür waren von irgendwoher wieder einmal Trommeln, Pfeifen und Fideln zu hören.
«Schade, dass die
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