Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
fand er den Gasthof Zum Hirschen . Die Gaststube war dunkel und der rotgesichtige Wirt sah ihn unterwürfig und kritisch zugleich an. Leron´das kannte diese Reaktion. Die Kleidung eines Adligen, die er sich unterwegs hatte fertigen lassen, forderte die Demut, aber die Tatsache, dass er alleine ohne ein Pferd oder eine Kutsche unterwegs war, erzeugte Skepsis. Zudem schätzten ihn die Menschen als sehr jung ein. Zwar hatte er sich mittlerweile einen breitbeinigen Gang angewöhnt und den Klang seiner Stimme noch ein paar Töne tiefer gefärbt, aber gegen seine schmale Gestalt und sein unbehaartes Gesicht konnte er nichts unternehmen. Jugendlichkeit verleitete jedoch die meisten Menschen dazu, ihren Gegenüber nicht ernst zu nehmen und Freundlichkeit ermunterte sie dazu, dies zu tun. Darum musterte er den Wirt nun seinerseits abschätzig und sagte barsch:
„Ich suche ein ruhiges, geräumiges Zimmer mit einem sauberen Bett. Ich wünsche jede Woche frische Laken und täglich warmes Wasser zum Waschen. Könnt Ihr das leisten?“ Obwohl er sich schäbig dabei fühlte, merkte er, dass die Reaktion auf dieses herrische Verhalten nicht ausblieb. Der Wirt verneigte sich und versicherte ergeben, dass alles so geschehen würde, wie es der junge Herr befahl. Er zeigte ihm ein Zimmer, dessen Fenster einem ruhigen Hinterhof zugewandt waren. Leron´das konnte von hier aus, sogar die Stelle sehen, an der die Silberpappel auf dem Turmberg stand. Trotz des Lärms der Stadt hörte er ihre Blätter rauschen. Er lächelte zufrieden.
„Gefällt die Kammer dem Herrn?“, fragte der Wirt, dem das Lächeln nicht entgangen war. Leron´das nickte und sie einigten sich auf einen Preis, der zweifellos zu hoch war.
„Es ist Pilgerzeit“, sagte der Wirt entschuldigend. „Da werdet Ihr kaum etwas Besseres für diesen lächerlichen Preis finden.“
Leron´das ging hinunter in den Gastraum und bestellte sich eine Gemüsesuppe und ein Bier. Dem Fleisch, das für die Menschen ein Zeichen von Wohlstand und gutem Essen war, konnte er nichts abgewinnen, aber das Brot fand er köstlich und aß es am liebsten mit Butter bestrichen. Das Bier war trinkbar, auch wenn er der Meinung war, dass die Menschen ihm viel zu viel Bedeutung beimaßen und auch zu viel davon tranken. Ein Becher Quellwasser wäre ihm lieber gewesen, aber damit hätte er sich endgültig verdächtig gemacht. Langsam und bedächtig löffelte er seine Suppe und beobachtete dabei, wie sich die Gaststube füllte.
Wo sollte er bloß mit seiner Suche beginnen? Er konnte sich nicht vorstellen, dass all die Menschen, die hier lebten, nicht irgendwo verzeichnet waren, schließlich trieb der König oder die Kirche Steuern ein und da musste doch auch jeder erfasst sein. Er überlegte, wen er fragen konnte und ärgerte sich, dass er nicht bereits früher jemanden danach gefragt hatte.
Der Wirt schlich beflissen vorbei und erwähnte, dass er noch ein schönes Stück Ochsenbraten hätte. Als Leron´das den Kopf schüttelte, zog er sich eiligst zurück. Der Elbe seufzte leise. Irgendwie war es leichter mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen, wenn man weniger vornehme Kleidung trug. Zwar musste Leron´das zugeben, dass ihm die weichen knielangen Hosen und die seidenen Beinlinge mehr behagten als der kratzende Stoff einer Wollhose, dafür zwängte aber der Kragen des Hemdes und die so fein aussehende Spitze kratzte an seinen Handgelenken. Er sehnte sich nach der fließenden Kleidung der Elben. Er wünschte sich, keine drückenden Nähte an seiner Haut zu spüren, stattdessen weiche anschmiegsame Stoffe, die jeder Bewegung folgten. Am allermeisten jedoch sehnte er sich danach, am Ende seiner Ärmel das Muster von Silberpappelblättern zu sehen, das zu ihm gehörte wie seine Hand oder sein Fuß. Es waren müßige Gedanken und er schob sie beiseite. Er beschloss, sich für den Rest des Tages unter das einfache Volk mischen. Also schlüpfte er in bürgerliche Kleidung und schlenderte durch die Straßen der Stadt. Als es langsam dunkel wurde und die Tore nur noch kurze Zeit offen standen, entschied Leron’das, die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen und die Kühle des sich neigenden Sommers zu genießen. Er war noch nicht müde, also strich er durch die Wälder der umliegenden Berge. Er sah den Füchsen und den Bären zu, und als er sich weit genug von der Stadt entfernt hatte, entdeckte er ein Rudel Wölfe, das scheu und lautlos unter den Bäumen dahin huschte. Von Gipfeln und Kämmen schaute
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