Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
er in die Täler und ließ seinen Gedanken freien Lauf.
Etwa um Mitternacht kam er an eine kleine Quelle. Munter blubberte sie aus dem tiefen Gestein des Berges und suchte sich ihren Weg zwischen Moosen und Gräsern, zwischen Bäumen und Steinen hinunter ins Tal. Leron´das trank ausgiebig von ihrem klaren Wasser und legte sich anschließend daneben, um ihrem Flüstern zu lauschen.
Seit bald zwei Monden hatte er keine Nachricht aus Pal´dor. Die Stadt im Wald war verschlossen und kein Gewässer in ganz Ardelan ließ seine Gedanken hinein. Als er zu den Menschen aufbrach, hatte er gewusst, dass er einen einsamen Weg einschlagen würde, aber dass er so einsam sein konnte, hätte er nicht gedacht. Die Zauberer waren mächtig und zahlreich. Es war schwer zu sagen, wie sie das Wasser erobert hatten, aber sie verständigten sich nun darüber und vergifteten es mit ihren Worten. Die Wächter des Flussbetts und auch all die anderen Wassergeister schliefen einen tiefen traumlosen Schlaf. Ob der Zauberer vor den Toren Pal´dors das Wasser zum Verstummen gebracht hatte oder ob es einem der anderen, die Leron´das alle sorgfältig gemieden hatte, gelungen war? Wie viele mochten es sein? Er überlegte, ob der springende Quell Violen´ta in der höchstgelegenen Elbenstadt Munt´tar noch eine Verbindung mit dem See Latar´ria aufbauen konnte. Munt´tar war nur einige Tagesreisen von Corona entfernt, mit den richtigen Worten nur wenige Stunden.
Er starrte durch das lichte Blätterdach in den wolkenlosen Himmel. Das Murmeln der Quelle lullte ihn ein und er sank ab in das Reich des Schlafes. An seiner Pforte verweilte er. Die wache Welt hielt ihn noch gefangen, aber das Lied des Schlafes verdrehte ihre Tatsachen und legte einen Schleier über sie. Das säuselnde, tröpfelnde Fließen des Quells, wurde zum tosenden Zischen eines Baches in der Klamm. Das gurgelnde, glucksende Hervorsickern zum Knall eines Geysirs. Das Wasser, das neben ihm entsprang und seinen überirdischen Weg erst suchte, wurde an der Pforte des Schlafes zu einem alles umspülenden Meer. Leron´das träge Gedanken versanken in den Fluten und trieben durch unbekannte Gefilde. Er tanzte auf schäumenden Wellen, wirbelte in endlosen Strudeln, glitt über glänzende, seidene Flächen und tauchte ein in finsterste Tiefen. Er trieb schwerelos in der Dunkelheit, ohne zu wissen wohin. Den leisen Klang einer wohlbekannten Stimme nahm er erst spät wahr. Er drängte zu ihr und sie schwoll langsam an, doch dann wurde es plötzlich still. Verzweiflung und Grauen bemächtigten sich seiner und er drohte zu ertrinken. Eine Schwerkraft, die es vorher nicht gegeben hatte, zog ihn immer tiefer in die Dunkelheit. Er wehrte sich, er kämpfte, aber sein Wille wurde schwächer und es fiel ihm schwer sich zu erinnern, wer er war. Dann hörte er die Stimme wieder. Sie kam auf ihn zu. Vertraute Züge lächelten ihn an. Ala´nas Züge. Leron´das hätte nicht geglaubt, dass es ihn so sehr freuen würde, sie wiederzusehen.
„Ich weiß schon lange, dass du mich suchst“, sagte sie. „Aber du warst immer zu weit weg, um mich zu hören. Du hast nicht viel Zeit an diesem Ort.“
Wo bin ich? Wollte er fragen, doch kein Ton kam über seine Lippen.
„Rond´taro ist in die Quellenberge aufgebrochen, doch das was er sucht, findet er nicht. Der Zauber ist mächtig, seine Gehilfen sind stark. Sei auf der Hut Leron´das. In Corona befindet sich ein Zauberer. Er wird dich erkennen. Meide die Stadt. Geh nach Munt´tar.“
Aber ich habe noch nichts über Peredur und seine Kinder erfahren, wollte Leron´das einwenden, doch seine Stimme versagte ihm erneut den Dienst.
„Geh nach Munt´tar! Corona ist nicht sicher …“ Das Licht, das Ala´na umgab, flackerte und sie verblasste.
Sofort begann Leron´das wieder zu trudeln und zu sinken. Er versuchte sie zu rufen, aber kein Laut entrang sich seiner Kehle. Plötzlich war sie wieder bei ihm, packte ihn und drückte ihn nach oben. Erst jetzt, da er das Plätschern des Wassers hörte, bemerkte er, dass er in atemloser Stille gefangen gewesen war. Mit einem letzten kräftigen Stoß beförderte sie ihn zurück auf den Waldboden.
„Nicht vor ... Wintersonnenwende … geh …“, lallten er ihre letzten verhallenden Worte, ehe er im feuchten Moos die Augen öffnete.
„Ala´na“, rief er, aber niemand antwortete. Er tauchte seine Hand in die Quelle, ließ das Wasser kühl um seine Finger fließen und wusste, dass ihm hier kein weiteres Zusammentreffen
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