Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
begreifen oder sich zumindest seinem Willen fügen können. Aber er war einer der wenigen, die wussten, dass Leonidas keinen Anspruch auf dem Thron hatte. Unter den gegebenen Umständen fiel es ihm schwerer denn je, es zu vergessen.
Der Abt kannte die Geschichte um den Verrat, den Willibald an seinem Stiefbruder begangen hatte und wusste, dass er nicht davor zurückgeschreckt hatte, einen Mord an seinem damals erst siebenjährigen Neffen in Auftrag zu geben.
Aber Peredur hatte überlebt. Nur leider hatte er sich später entschlossen, sein Leben im Verborgenen zu führen und das erwies sich heute als Fluch.
Benidius wollte nicht mit dem Schicksal hadern, und gewiss nicht die Entscheidungen längst Verstorbener in Frage stellen. Er tat es trotzdem. Das einfache Volk kannte keine Geschichte und die, die sie kannten, wussten, dass es aus der Linie der Herrscher von Kronthal keine lebenden Nachkommen mehr gab.
Darum war Leonidas König geworden. Darum, und wegen des Unglücks, das verhindert hatte, dass die Mitglieder des Geheimen Schlüssels dem damals letzten Nachfahren aus dem alten Geschlecht der Könige auf den Thron halfen.
Unter größter Geheimhaltung hatte sich der Thronanwärter vor siebzehn Jahren auf seine Aufgabe vorbereitet. Alles war auf den Tag ausgerichtet gewesen, an dem er sich zu erkennen geben sollte. Doch dann war über Nacht ein Feuer ausgebrochen und hatte alle Pläne zunichtegemacht. Mit diesem Unglück war für Benidius eine Welt zusammengebrochen. Lange hatte er vermutet, dass König Leonidas den Anschlag auf Peredurs Erben beauftragt hatte. Doch in diesem einen Punkt schien der König unschuldig zu sein. Das Beweismittel, das Benidius schließlich fand, lag in den Archiven der Kirche und legte den Verdacht nahe, dass der Archiepiskopos bei dem Anschlag seine Finger im Spiel gehabt haben könnte.
Er brachte das Beweisstück – das Vermächtnis des ehrwürdigen Episkopos Eridius – zu den Schriftrollen des Geheimen Schlüssels. Seither versuchte er sich darauf einzustellen, dass es möglicherweise weitere hundert Jahre dauern würde, ehe sich nochmal eine Gelegenheit ergab, einem König aus dem Hause Kronthal seinem Recht zu verhelfen.
Als der Abt die Kirche betrat, die das Zentrum des Monastiriums bildete, und die die Schlaf- und Arbeitsräume der Mönche von denen der Studenten trennte, fiel aller irdische Missmut von ihm ab. Er eröffnete die Morgenandacht und gewann mit jeder Litanei und jedem Ritual seine innere Gewissheit zurück, dass Gott seine Gläubigen nicht vergessen würde.
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Vinzenz von Hohenwart saß verschlafen zwischen Mönchen und Studenten in der Morgenandacht. Der Lebensrhythmus im Monastirium und sein Schlafbedürfnis standen nicht miteinander im Einklang. Trotzdem gestattete er sich nicht, auch nur eine Gelegenheit verstreichen zu lassen, die ihm ein ungezwungenes Gespräch mit dem König ermöglichte. Einzig um dies zu tun, war er, trotz Winter und Schnee, von der Falkenburg hierhergereist. Er hoffte bei einer solchen Unterhaltung, etwas über die Pläne des Königs zu erfahren.
Langsam kam ihm sein Unternehmen jedoch wie der verzweifelte Versuch eines Ertrinkenden vor, sich aus einem Strohhalm ein Floß zu bauen.
Der König verschanzte sich in seinen Räumen und verließ sie scheinbar nie. Weder ging er in die Kirche, noch zu den gemeinschaftlichen Mahlzeiten.
Ohne die ständige Präsenz seiner Wachen und Boten hätte sein Aufenthalt leicht als Gerücht durchgehen können.
In Abwägung seiner noch vorhandenen Möglichkeiten hatte Vinzenz in Betracht gezogen, sich offiziell beim König melden zu lassen. Doch diesen Gedanken hatte er schnell wieder verworfen, denn er wollte auf gar keinen Fall den Eindruck erwecken, dass er dem König hierher gefolgt war.
Zwischen den Andachten und Mahlzeiten verbrachte er seine Zeit in der Bibliothek. Lustlos durchblätterte er die Bücher mit Berichten über die Zeit der letzten Kriege und Reiseberichte vom Alten Wald. Er las sogar Bücher über die Jagdgewohnheiten der alten Königsfamilie. Er studierte Chroniken und Stammbäume. Peredur wurde nur an einer Stelle erwähnt. Im Jahre 842 n.d.G.A- seinem Geburtsjahr. Als Corona brannte, war er etwa sieben Jahre alt gewesen und hatte noch nichts Bedeutendes in seinem Leben vollbracht. Außerdem hatte er zwei erwachsene Brüder, die in der Thronfolge vor ihm standen. Wer wollte es den Schreibern jener Zeit verübeln, dass sie nicht weiter auf diesen Knaben
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