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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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waren. Die Alexanderteppiche waren tagelang Stadtgespräch gewesen. Der Erlös aus ihrem Verkauf an den Statthalter bildete, soviel Pamela wusste, den Grundstock für Griets Geschäft mit den Sicherheitsbriefen. Pamela ärgerte sich, dass sie damals nur mit halbem Ohr zugehört hatte, aber nun sah es ganz so aus, als sei sie auf das alte Lager gestoßen. Sie folgte dem Dröhnen weiter, das zum Ende des schmalen Ganges hin zunahm, dann aber plötzlich vor einer Tür aus dickem Eichenholz erstarb.
    Pamela presste ihr Ohr gegen das Holz. Sie hatte sich nicht geirrt. Dahinter war jemand; sie konnte deutlich hören, dass in dem Lagerraum gesprochen wurde. Leise klopfte sie an. «Coen, bist du das?»
    Ein wütendes Hämmern antwortete ihr. Im nächsten Augenblick drang eine Stimme durch die Tür: «Lasst uns raus, verdammt noch mal!»
    Pamela sprang entsetzt zurück und schlug die Hand vor den Mund. Nein, das war nicht ihr Bruder. Sie erkannte die Stimme des Mannes nicht, spürte aber, dass sie voller Zorn war. Zu allem Überfluss mischte sich nun auch noch die verängstigte Stimme eines Mädchens in das Gebrüll. Pamela bekreuzigte sich. Auf einmal war ihr Tatendrang wie weggeblasen. Was sollte sie tun? Die Stadtwache holen? Oder besser einen Offizier der spanischen Garnison?
    «Seid Ihr noch da?», drang erneut die Stimme des unbekannten Mannes durch die Tür. «Geht bitte nicht weg, das Mädchen hier …» Pamela hielt sich die Ohren zu. Sie wollte nichts hören, aber weggehen durfte sie auch nicht. Wieder erscholl das unheilvolle Dröhnen. Der Mann, der gegen das Mauerwerk schlug, schien nicht mehr jung zu sein. Seine Stimme klang erschöpft. Zweifellos war er am Ende seiner Kräfte, nachdem er seit Stunden in der Hoffnung, jemand würde ihn hören, auf die Tür einschlug.
    «Wer im Namen Gottes seid Ihr?», würgte Pamela hervor. Bei dem Gedanken, Coen und Adam könnten die armen Menschen in dieses Loch gestoßen haben, wo sie ohne Licht und Ofen ausharren mussten, wurde ihr übel. Sie starrte die schwere Tür an und überlegte, ob sie in der Lage war, sie allein zu öffnen. Sie war verriegelt, ein Schloss sah Pamela nicht. Zitternd legte sie ihre Hand an den Riegel, zögerte aber, ihn zurückzuschlagen.
    «Ihr habt meine Frage nicht beantwortet.»
    Stille trat ein. Vermutlich beriet man sich hinter der Tür, ob ihr zu trauen war. Dann rief der Mann: «Ich bin Sinter van den Dijcke, Griets Vater aus Brüssel. Bei mir befinden sich mein Enkel und dessen Kinderfrau. Wir wurden betäubt und verschleppt. Erst in diesem verfluchten Verlies kamen wir wieder zu uns. Um Christi willen, lasst uns endlich raus, bevor der Mann wiederkommt!»
    Der Mann? Pamela spürte, wie ihre Beine kalt und taub wurden. Sie war noch nie in Ohnmacht gefallen und wollte es auch an diesem grässlichen Ort nicht.
    Griets Vater? Ja, sie hatte auf dem Markt gehört, dass er sie in Oudenaarde besuchte. Aber warum sollte ihn jemand überfallen und hierherschleppen? Das ergab doch keinen Sinn.
    «Ihr befindet Euch im Haus meines Bruders Adam», sagte sie, wenngleich ihr der Hinweis reichlich töricht vorkam. «Vorher gehörte es den Schwiegereltern Eurer Tochter, den Teppichwebern Marx.»
    «Das weiß ich doch», stöhnte der Mann hinter der Tür.
    «Jungfer Pamela», hörte sie nun die klägliche Stimme der Kinderfrau. «Es ist so kalt hier. Ich kann Basse kaum wärmen. Außerdem fürchte ich … Bitte, Ihr müsst uns befreien.» Sie schluchzte auf; Pamela konnte es durch die Tür hindurch hören. «Ich habe so schreckliche Angst, dass der Vermummte zurückkommt. Wenn er Euch hier findet, ist es auch mit Euch aus!»
    Pamela hatte genug gehört. Mit aller Macht stemmte sie sich gegen den Riegel. Doch obwohl sie aus Leibeskräften daran zog, bewegte er sich nicht. Entmutigt ließ Pamela davon ab. «Ich kann die Tür nicht öffnen», rief sie bedauernd.
    «Ihr braucht einen Hammer oder ein anderes Werkzeug für den Bolzen», antwortete ihr Griets Vater. «Schaut Euch um, irgendwo muss doch noch Werkzeug herumliegen. Aber beeilt Euch. Der Kerl kam bis jetzt jeden Tag in den ersten Stunden nach Sonnenuntergang, um uns etwas zu essen zu bringen.»
    Pamela begriff. Sie durfte keine Zeit verlieren. Mit klopfendem Herzen lauschte sie, ob sie Schritte hörte. Aber da war nichts. «Wäre es nicht vernünftiger, ich würde Hilfe holen? Ich glaube nicht, dass meine Kraft ausreicht, um den Bolzen zurückzuschlagen. Dieser Riegel sitzt zu fest.»
    Hinter der Tür

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