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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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bequem zu machen. Pamela lief durch den verschneiten Innenhof, an der hohen Hauswand klapperten einige Läden. Pamela fand das Geräusch gespenstisch. Verlassene Häuser hatten etwas an sich, das ihr nicht behagte. Es fehlte Leben, ja, dieses Haus wirkte tot. Am liebsten wäre sie gleich nach Hause gelaufen. Nichts, nicht einmal ein dünner Lichtschein, deutete an, dass Adam und Coen sich hier aufhielten.
    Trotz ihrer Scheu betrat Pamela das Gebäude, das bis auf ein paar Tonbecher und Teller sowie einige Klafter Brennholz leer war. Adam schien lange nicht mehr hier gewesen zu sein. Allmählich kam ihr die Suche lächerlich vor, sie hatte sich wohl von de Lijs’ Aufregung anstecken lassen. Das gehörte sich nicht für eine angehende Begine. De Lijs war ein Trottel, befand sie. Für ihn kam es schon einer schweren Kränkung gleich, wenn jemand nicht pünktlich zu einer Verabredung erschien. Vermutlich leerten Adam und Coen gerade in einer Taverne einige Becher Wein und hatten schlichtweg vergessen, dass de Lijs sie sehen wollte.
    Die Tür hinter sich zuziehend, verspürte sie keine Gewissensbisse mehr, ihre Familie zu verlassen und fortan nur noch an ihr eigenes Glück zu denken. Zum Teufel mit Adam und Coen. Mochten sie ihr Geld mit Schankdirnen verschwenden, das ging sie nichts mehr an. Vielleicht nahm Uta sie ja schon vor dem Weihnachtsfest bei sich auf? Als Pamela vorsichtig die vereisten Stufen der Treppe hinunterging, hörte sie plötzlich ein dumpfes Geräusch in ihrem Rücken. Erschrocken drehte sie sich um, wobei sie beinahe den Halt verloren hätte. Im letzten Moment fand sie den hölzernen Handlauf, an den sie sich klammern konnte. Sie spitzte die Ohren und lauschte – da war es wieder: ein merkwürdiger Laut, der aus dem Inneren des Hauses zu kommen schien. Pamela hob ängstlich den Kopf. Immer heftiger klapperten die Fensterläden am Haus, doch das Geräusch, das sie gehört hatte, rührte von etwas anderem her. Tatsächlich glaubte Pamela jetzt, eine feine Erschütterung, kaum mehr als ein Zittern, wahrzunehmen. Es war, als ramme jemand tief unter ihren Füßen einen schweren Gegenstand gegen das Mauerwerk.
    Sie beeilte sich, der rutschigen Treppe zu entkommen, und stürzte, kaum dass sie wieder auf festem Grund stand, auf das Hoftor zu. Dort blickte sie sich noch einmal um. Das Haus machte einen friedlichen, schlafenden Eindruck. Hatte sie sich die Erschütterung nur eingebildet? Pamela atmete tief durch. Lachhaft. Hier gab es nichts, was ihr Angst machen konnte, außer ihrer eigenen Einbildungskraft. War es nicht ganz normal, dass in einem leerstehenden Haus Geräusche zu hören waren? Ob Adam und Coen sich durch Unachtsamkeit irgendwo selbst im Haus eingesperrt hatten? Als sie darüber nachdachte, erschien ihr das immer einleuchtender. Ja, dort unten, wo sich die Keller der ehemaligen Teppichweberei befanden, war jemand, der versuchte, auf sich aufmerksam zu machen. Jemand, der ihre Hilfe brauchte. Als künftige Begine durfte sie diese nicht verweigern, andernfalls würde ihr neues Leben unter schlechten Vorzeichen beginnen.
    Pamela kehrte zum Haus zurück. Kaum hatte sie die Treppe erreicht, vernahm sie das Geräusch wieder. Dieses Mal war es sogar lauter. Es war bestimmt keine Einbildung.
    «Hallo!», rief Pamela, in der Hoffnung, einer ihrer Brüder würde ihr antworten. Doch es folgten keine Antwort, kein Hilferuf. Das stets wiederkehrende Geräusch war alles. Die Laute konnten unmöglich aus den Kellerräumen unterhalb der großen Stube des Haupthauses kommen, sie hätte sie bei ihrem Rundgang sonst deutlicher hören müssen. Pamela tastete sich an der Hauswand entlang, bis sie ein Stück weiter, wo der Hof bereits in ein verwildertes Gartenstück überging, auf ein paar schmale Stufen stieß. Diese führten durch einen ummauerten Vorbau offenbar zu Kellerräumen, die sich rechts und links eines schmalen Ganges befanden.
    Ich habe es doch gewusst, dachte Pamela plötzlich erregt.
    Die Geräusche hatten eine Weile ausgesetzt, brachen aber mit einem Mal wieder los, als Pamela sich in den dunklen Gang hineinwagte. Ein wenig Mondlicht fiel in den Treppenschacht, doch das reichte kaum aus, um mehr als ein paar Umrisse zu erkennen.
    Pamela ging weiter. Ihr fiel ein, wie Coen einmal erzählt hatte, die Witwe des Teppichwirkers habe den Statthalter nach einer Jagdgesellschaft hier bewirtet und Farnese dabei die kostbarsten Wandbehänge der Familie gezeigt, die in abgeschiedenen Gewölben untergebracht

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