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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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begann ein Wortwechsel, von dem Pamela aber nur wenig verstand. Offenbar war die Kinderfrau dafür, dass Pamela schleunigst verschwand und Hilfe herbeirief, während Griets Vater darauf beharrte, dass sie blieb. Pamela eilte zur nächsten Kammer, in der Hoffnung, darin geeignetes Werkzeug zu finden. Zu ihrer Erleichterung fand sie den kleinen Raum weder verschlossen noch verriegelt. Ihr Blick fiel auf eine schwere Truhe, die jemand an die Wand geschoben hatte. Abgesehen von ihr befanden sich nur ein paar leere Bastkörbe und sonstiger Plunder im Raum. Pamela schritt auf die Truhe zu und betete, dass sie sich öffnen ließ. Wenn sie Glück hatte, fand sie darin einen Hammer oder ein Stemmeisen. Tiefe Schleifspuren wiesen darauf hin, dass die Truhe zunächst woanders gestanden hatte und erst vor kurzer Zeit über den Steinfußboden gezogen worden war. Pamela warf ihren Umhang ab, um sich besser bewegen zu können. Keuchend stemmte sie den Deckel der Truhe auf.
    Und dann erstarrte sie. Ihr Herz schien vor Grauen aus der Brust zu hüpfen. Sie stieß einen Schrei aus, taumelte zurück und hielt den Arm vor Mund und Nase.
    In der Holztruhe lagen die blutüberströmten Körper zweier Männer.
    «Adam … Coen …», würgte sie. Sie erkannte ihre Brüder sofort an ihren Kleidern. Pamela wurde so schlecht, dass sie sich erbrechen musste. Dann sank sie wie betäubt zu Boden und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Das dumpfe Dröhnen setzte wieder ein. Griets Vater hämmerte mit voller Wucht gegen die Wand; er wunderte sich bestimmt, wo sie so lange blieb. Pamela versuchte sich aufzurichten, aber ihre Beine zitterten so sehr, dass sie kaum stehen konnte. Nur mühsam gelang es ihr, sich bis zur Tür zu bewegen. Sie konnte es noch immer nicht fassen. Adam und Coen waren tot.
    Das dröhnende Geräusch wurde lauter, und plötzlich begriff Pamela, warum der Alte mit aller Kraft gegen das Mauerwerk schlug. Jemand kam in den Keller, und er wollte sie warnen. Tatsächlich waren auf der Treppe nun Schritte zu hören. Pamela warf einen entsetzten Blick zurück zu der Truhe, deren Deckel noch offen stand. Wer auch immer der Unbekannte war, er würde bemerken, dass jemand die Leichen entdeckt hatte. Pamela unterdrückte ein Schluchzen, obwohl sie am liebsten aus Leibeskräften geschrien hätte. In Panik sah sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch es war zu spät, zu entkommen. Der einzige Ausgang war ihr nun versperrt. Sie saß in der Falle. Zur Treppe würde sie es nicht mehr schaffen, und einen anderen Weg gab es nicht. Der schmale Gang endete keine zehn Schritte hinter der Kammer vor einer Wand. Es half nichts; sie musste sich an Ort und Stelle nach einem Versteck umsehen.
    Pamela stockte der Atem. Sie kauerte sich neben die Tür und betete, dass der Unbekannte zuerst nach seinen Gefangenen sehen würde, bevor er auf die Idee kam, auch diesen Raum zu betreten und die Leichen fortzuschaffen. Das würde ihr zumindest eine kleine Frist verschaffen. Sie hörte, wie der Riegel vor der Tür des benachbarten Raumes geöffnet wurde. Eine Stimme forderte die Gefangenen auf, sich zur Wand zu drehen. Pamela glaubte, sie schon einmal gehört zu haben, erinnerte sich aber in ihrer Aufregung nicht, wo oder wann. Mehr konnte sie nicht verstehen. Sie vermutete, dass der Mann nicht mehr an der Tür stand, sondern einige Schritte weit in die Kammer hineingegangen war.
    Sollte sie es riskieren, zur Treppe zu laufen? Nein, der Mann würde sie hören, mühelos einholen und dann umbringen, wie er es mit ihren Brüdern getan hatte. Aber etwas musste sie doch unternehmen. Tränen schossen Pamela in die Augen, als ihr einfiel, dass sie heute ein neues Leben hatte beginnen wollen. Nun war es fraglich, ob sie überhaupt noch einmal einen Sonnenaufgang sehen würde. Sie atmete tief durch, dann schlich sie zu der Truhe. Behutsam breitete sie ihren Mantel über die Leichen ihrer Brüder, um deren kalte, starre Augen nicht sehen zu müssen. Sie rang ihren Abscheu nieder, dann stieg sie selbst in die Truhe und ließ den Deckel herabgleiten. Erst als die Dunkelheit sie einhüllte, fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, die Spuren ihrer Übelkeit zu beseitigen. Dafür blieb nun keine Zeit mehr; sie konnte nur hoffen, dass dem Mann in der Eile und in der modrigen Luft, die hier unten herrschte, der Geruch von Erbrochenem nicht auffallen würde.
    Pamela trat der Schweiß aus allen Poren. Nun hieß es beten, dass das Grab ihrer Brüder nicht auch zu ihrem

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