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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Begleiter gefunden, einen mit allen Wassern gewaschenen Burschen namens Tobias van Leeuwen, der von den Spaniern gesucht wird, weil er Flüchtlinge aus Flandern ins Ausland gebracht hat.»
    Griet erinnerte sich an einen muskulösen Mann, der sie und Don Luis vor der Tür des Buchhändlers beinahe umgerannt hätte. Wie nahe waren sie den Gesuchten gekommen, nur um sie gleich darauf wieder aus den Augen zu verlieren! Das Gesicht des Mannes hätte sie nicht beschreiben können, dazu war alles viel zu schnell gegangen. Die Frau hatte ihre Züge unter einem Schleier verborgen.
    Griet senkte mutlos den Kopf. Der Bericht des Buchhändlers klang für sie plausibel, erfüllte sie aber mit Schrecken. Mussten sie Cäcilia bis ins Deutsche Reich folgen, und das mitten im Winter, wo es auf den verschneiten oder matschigen Landstraßen noch gefährlicher war als zu jeder anderen Jahreszeit? Sie konnte das nicht. Sie war in jeder Hinsicht erschöpft und nicht in der Lage, weiterzureisen. Außerdem drängte es sie zurück nach Hause, wo ihr Kind auf sie wartete.
    Schnell überschlug sie, wie viel Zeit seit Cäcilias Flucht aus dem Haus des Buchhändlers vergangen sein mochte. Cäcilia und Tobias konnten unmöglich mehr als drei oder vier Stunden Vorsprung haben; insgeheim betete sie, dass die letzte schwarze Schwester Brüssel noch nicht verlassen hatte. Wenn es ihr und Don Luis doch nur gelänge, ihren Unterschlupf zu finden oder sie und ihren Begleiter am Tor abzufangen.
    Dorotheus’ Blicke verrieten ihr, dass sie sich diese Hoffnung besser gleich aus dem Kopf schlug. «Tobias weiß von Fluchtwegen aus der Stadt hinaus, die außer ihm nur noch die Kanalratten kennen. Darüber hinaus gilt er in Brüssel als Meister der Maskerade. Damit hat er die Obrigkeit schon oft an der Nase herumgeführt. Das macht ihn als Führer auch so beliebt.»
    Sie verbrachten die Nacht im Gasthaus, ohne auch nur ein Auge zuzumachen. Griet fand keinen Schlaf, weil sie mit einer Entscheidung rang. Don Luis hielt Wache. Es ärgerte ihn immer noch, dass er den spanischen Deserteur hatte entwischen lassen, und er befürchtete, der Mann könnte sich in die Herberge einschleichen, um sie im Schlaf zu überfallen. So war der Buchhändler der Einzige, dem spät in der Nacht die Augen zufielen. Griet deckte den alten Mann fürsorglich zu.
    Als der Morgen graute, erschien zu ihrer Überraschung Balthasar. Der Junge sah müde und so mitgenommen aus, dass Griet annehmen musste, er habe die Nacht unter freiem Himmel verbracht. Doch abgesehen davon, dass er vor Kälte zitterte und sich ausgehungert über ein Stück Brot mit Ziegenkäse hermachte, schien ihm nichts zu fehlen.
    «Ich bin der Spur des Mannes gefolgt», berichtete er stolz, nachdem er auch noch einen Becher Milch in einem Zug geleert hatte. «Ihr wisst schon: der Kerl, der das Feuer gelegt hat. War gar nicht so leicht, sich unbemerkt an seine Fersen zu heften. Aber nun weiß ich, wo er sich verkriecht.»
    «Du hast was getan?» Don Luis hob den Kopf und warf dem Jungen einen scharfen Blick zu. In seiner Miene kämpften Ärger und Anerkennung miteinander. «Der Kerl ist gefährlich», sagte er. «Wir müssen davon ausgehen, dass er schon einige Menschen getötet hat, die ihm im Weg waren. Das Leben eines naseweisen Bengels kümmert ihn kein bisschen. Was hätte ich deiner Mutter sagen sollen, wenn du nicht zu ihr zurückgekehrt wärst?»
    Der Junge verzog beleidigt das Gesicht. Offensichtlich passte es ihm nicht, dass Don Luis, der sich seiner am Vortag noch so kameradschaftlich angenommen hatte, ihn plötzlich wie ein kleines Kind behandelte.
    «Ich kann schon gut auf mich aufpassen», stieß er trotzig hervor. «Aber bitte, mein Herr, wenn Ihr nicht erfahren wollt, was ich über Euren Brandstifter herausgefunden habe, kann ich ja wieder gehen.» Schnurstracks steuerte er auf die Tür zu.
    Griet warf Don Luis einen mahnenden Blick zu, den Jungen wieder versöhnlich zu stimmen. Don Luis verstand den Wink und lenkte ein. «Warte!», rief er. «Ich wollte dich nicht anschreien, tut mir leid.»
    «Nachdem die Herren ja nun wieder Freunde sind, dürfen wir anderen vielleicht erfahren, wohin du dem Spanier gefolgt bist», sagte Griet. Zugleich plagte sie sich damit, die Zinken eines hölzernen Kamms durch ihr Haar zu ziehen. Als sie bemerkte, wie der Junge ihr dabei beeindruckt zusah, beeilte sie sich, ihren roten Schopf unter die Haube zu zwingen.
    Don Luis sah den Jungen an. «Und du hast gesehen, wohin der

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