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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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die mich nun wieder eingeholt hat. Irgendwie hat das Schicksal es gewollt, dass Ihr zu einem Teil des Ganzen geworden seid. Vielleicht könntet Ihr ebenso versuchen, mir Euer Vertrauen zu schenken.» Als Griet den Mund öffnete, fügte er hinzu: «Ich weiß, dass ich kein Recht habe, das von Euch einzufordern, nach allem, was Ihr meinetwegen …»
    «Wo ist der kleine König?»
    Don Luis stutzte. «Wie bitte?»
    «Unser Botenjunge. Habt Ihr ihn zum Gasthaus zurückgeschickt?»
    Don Luis schüttelte den Kopf. Er hatte den Jungen noch aufgeregt zwischen den Männern, die Griet aufgefangen und danach ihm selbst die Leiter gehalten hatten, umherspringen sehen. Dann aber war er zu beschäftigt gewesen, um sich nach dem kleinen König umzuschauen. Er hatte den Burschen nicht so eingeschätzt, dass dieser einfach davonlief, nachdem er sich zunächst so anhänglich gezeigt hatte. In Don Luis begann es zu arbeiten. Hatte der Junge womöglich beobachtet, in welche Richtung der spanische Soldat verschwunden war? Erschrocken stellte er fest, dass er es dem durchtriebenen Bengel, der in Brüssel jeden Winkel kannte, zutrauen würde. Aber der Mann war gefährlich.
    «Ihr macht Euch Sorgen, nicht wahr?», fragte Griet. «Was hat ein davongelaufener spanischer Soldat mit den schwarzen Schwestern zu schaffen? Glaubt Ihr, er ist im Auftrag des Statthalters nach Brüssel gekommen?»
    Don Luis hatte an diese Möglichkeit auch schon gedacht. Falls jedoch Farnese von dem Buch gehört hatte und es in die Hände bekommen wollte, weil er an seine Macht glaubte, würde er bestimmt nicht jemanden wie diesen zwielichtigen Soldaten losschicken. Oder etwa doch? Immerhin war der Spanier dem Buch auf den Fersen und schien ihm und Griet sogar eine Nasenlänge voraus zu sein. Da er kaum im eigenen Interesse handelte, musste er einen Auftraggeber haben. Damit waren sie wieder bei dem ominösen Pilger, der das Buch einst den schwarzen Schwestern anvertraut hatte.
    Als Griet sich kräftig genug fühlte, aufzustehen, kehrten sie zu ihrem Gasthaus zurück. Griet überredete den Buchhändler, sich ihnen anzuschließen. Wie hätten sie ihn auch zurücklassen können. Don Luis stützte den alten Mann, während der Star meckernde Geräusche von sich gab. «Ich werde mich dafür einsetzen, dass Fürstin Margarethe von Parma Euch für Eure Verluste entschädigt», versprach Don Luis.
    Der Buchhändler hob traurig den Kopf. Zum ersten Mal, seitdem er sein Haus verlassen musste, sah er Don Luis in die Augen. «Was soll mir das nützen? Seht mich an, ich bin zu alt, um auch nur einen Bruchteil der Werke wiederzufinden, die ich heute verloren habe. Ich verfluche den Barbaren, der mir das angetan hat!» Er schwieg eine Weile, dann fuhr er fort: «Ihr glaubt, dieser Pilger steckt hinter der ganzen Sache? Er jagt dem Buch hinterher, für das er seine Seele verkauft hat?»
    Griet nickte. Sie hatte die Wirtin um zusätzliche Decken gebeten, weil sie nicht aufhörte zu frieren. Don Luis hatte sich um eine Mahlzeit gekümmert, die eine Schankmagd hinauf in die Stube gebracht hatte. Doch keinem von ihnen war nach essen zumute.
    «Ihr hattet mir aufgetragen, mich ein wenig umzuhören», begann der Buchhändler. Die Art, wie er seine Worte betonte, ließ einen leichten Vorwurf anklingen.
    «Als ich noch einmal über die Geschichte des Pilgers nachdachte, fiel mir ein, dass mich vor einigen Jahren zwei Männer aufsuchten, die exakte Beschreibungen diverser Pilgerwege ins Heilige Land, sogenannte Itinerarien, von mir haben wollten. Selbstverständlich konnte ich die Herren diesbezüglich beraten. Ich empfahl ihnen das Liber peregrinationis , den auf Latein verfassten Bericht des Magisters Thietmar, der schon im Jahre 1217 zu den heiligen Stätten nach Jerusalem und weiter zum Grab der heiligen Katharina von Alexandria im Kloster auf dem Sinai wanderte. Außerdem noch die Schrift des Jean de Mandeville, weil sie auch in den Niederlanden weit verbreitet war. Ich erinnere mich, wie begeistert einer der beiden sich für die Reisen de Mandevilles ausgesprochen hat, nachdem ich ihm erzählt hatte, dass der Verfasser darin auch eine Anzahl phantastischer Routen beschreibt, darunter einen geheimen Weg, der angeblich zum Eingang des irdischen Paradieses selbst führen soll.»
    «Ihr meint doch nicht den Garten von Eden?», fragte Griet ungläubig.
    Dorotheus zuckte mit den Achseln. «Wieso nicht? Es gibt eine alte Legende, nach welcher der sogenannte Baum der Erkenntnis von Gut und

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