Die Stadt der schwarzen Schwestern
einbezogen. Einige der alten Zunftmeister sowie der glatzköpfige Wachshändler erinnerten sich an ihre Mutter und priesen mit bereits vom Wein schwerer Zunge deren Schönheit, Witz und Anmut. Eine Edeldame wie sie gebe es leider heutzutage nicht mehr in Brüssel, war die einhellige Meinung der Männer. Die Schuld daran wie an der allgemein düsteren Lage der Stadt gaben sie den unseligen Rebellen und den religiösen Eiferern, denen man zu verdanken hatte, dass nun auch noch der katholische Gottesdienst in Brüssel verboten worden war. «Denkt Euch nur, morgen sollen gut zwei Dutzend Nonnen, die man in St. Michael aufgegriffen hat, aus der Stadt getrieben werden. Die Ärmsten werden gezwungen, mit bloßen Füßen bis hinaus nach Hertoginnedal zu laufen, weil sie sich weigern, abzuschwören.»
«Wilhelm von Oranien behandelt Frauen, egal, ob Nonnen oder Fürstinnen, kaum besser als seine Pferde», behauptete Graf Beerenberg. «Kein Wunder, dass ihm reihenweise die Gemahlinnen wegsterben. Ich erinnere nur an Anna von Sachsen. Er hat sie verstoßen, nachdem er ihrer überdrüssig war. Ihre Sippe ließ sie zu Dresden in einem erbärmlichen Loch einmauern, und er heiratete Charlotte von Bourbon, um sich enger an die protestantischen Ketzer in Frankreich zu binden.»
« De mortuis nihil nisi bene , guter Mann», erhob der Wachshändler nun Einspruch. «Über Verstorbene nichts Böses, sonst kommen sie nachts in Euer Haus und suchen Euch im Traum heim.» Er lachte polternd. «Charlotte von Bourbon starb an Entkräftung, weil sie ihren Mann nach dem Mordanschlag auf sein Leben bis zur Erschöpfung pflegte.»
«Nun ja, leider ging dieser Anschlag schief, sonst gäbe es heute einen Verräter weniger im Land, über den sich König Philipp den Kopf zerbrechen muss. Ich erinnere mich noch daran, wie er diesen Prinzen mit Gunstbeweisen geradezu überschüttet hat. Und wie hat der es ihm gedankt? Er hat unsere einst blühenden Niederlande in ein Schlachtfeld verwandelt. Im Norden waren diese Ketzer so dreist, einen eigenen Staat auszurufen und unseren König für abgesetzt zu erklären. Nach dem Willen der Stände von Brabant soll der Herzog von Anjou nun neuer Landesherr werden, während dem Oranier in Holland die Grafenwürde winkt. Aber ich verspreche euch, dass Alessandro Farnese bis zum nächsten Frühjahr Brüssel und Antwerpen eingenommen haben wird.» Beerenberg hatte sich in Rage geredet; hastig griff er nach seinem Becher und leerte ihn in einem einzigen Zug. Im Kreis seiner Freunde vergaß er völlig, dass seine Äußerungen hier, weit entfernt von Farneses Truppen, Hochverrat waren. Griet hielt es für unklug, in Gegenwart d’Anastros solche Reden zu schwingen. Aber die übrigen Gäste des Spaniers schienen die Meinung des Grafen uneingeschränkt zu teilen.
«Wenn wir zulassen, dass der Norden sich endgültig von uns löst, werden die Geschäfte darunter leiden», warf der Wachshändler van Dongen ein. «Wir brauchen alle Häfen, wenn wir gegen England nicht den Kürzeren ziehen wollen. Königin Elisabeth unterstützt den Oranier zwar nicht, aber sie wartet nur darauf, dass wir im Handelsstreit zur See unterliegen.» Er ließ sich zum dritten Mal Fisch vorlegen, besonders der in Minze eingelegte fette Aal schien ihm zu munden. «Es wäre von Vorteil, wenn sich noch einmal jemand fände, der diesem Prinzen von Oranien eine Kugel in den Bauch jagte. Den Segen König Philipps hätte er, denn der hat den Rebellen ja schon vor zwei Jahren geächtet. Auch die heilige Kirche würde es begrüßen, wenn die Ketzer damit eine empfindliche Niederlage einstecken müssten.»
Griet verschluckte sich fast, als sie das hörte. Sie hatte nur noch Abscheu für diese Leute, die beisammensaßen und über Verschwörung und Mord redeten, als sei das die normalste Sache der Welt. Sie dachte an ihre Schwiegereltern, die es vorgezogen hatten, in Antwerpen nach Freiheit, auch nach Freiheit in Fragen des Gewissens, zu suchen, und sie dachte an Balthasar, den kleinen König, dessen Wangen sich voller Eifer röteten, sobald er von dem tapferen Prinzen von Oranien schwärmte. Nein, auch wenn sich Griet nicht den Rebellen zugehörig fühlte, hatte sie doch genug Verständnis für ihr Anliegen, um den Führern des Aufstands nicht den Tod durch Meuchelmörder zu wünschen. Als sie Gaspar d’Anastros triumphierendes Grinsen auffing, wurde ihr schlagartig klar, dass er sie durchschaut hatte. Hastig neigte sie den Kopf. Sie durfte ihren Plan nicht
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