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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Aber sie musste es versuchen. Tastend kletterte sie Sprosse um Sprosse hinauf, wobei sie betete, dass das Kind in ihrem Bauch sich nicht ausgerechnet jetzt regen möge. Schließlich stieß sie mit dem Kopf gegen eine hölzerne Luke. Durch die Ritzen spürte sie frische, kalte Luft auf ihren Wangen. Sie streckte beide Arme aus, um sie gegen das Holz zu stemmen, doch ein plötzliches Schwindelgefühl ließ sie wieder nach der Leiter greifen. Sie begann zu zittern. Du bist schwanger, schoss es ihr durch den Kopf. Das kannst du nicht riskieren. Wenn du die Leiter hinunterstürzt, wird dein Kind niemals das Licht der Welt erblicken. Leise schluchzend machte sich Beelken an den Abstieg. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als zu warten, bis Griets Vater wieder zu sich kam. Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als über ihrem Kopf die Luke aufgeschlagen wurde und ein Augenpaar kalt und stechend auf sie herabstarrte. Der Mann lachte höhnisch auf.
    «Ich dachte mir schon, dass du dich nicht einfach in dein Schicksal fügst. Menschen wie du glauben, dass ihnen das Glück immer wieder begegnet. Selbst an den dunkelsten Orten.»
    «Glück?», schluchzte Beelken. Sie brach in Tränen aus, weil sie die Ausweglosigkeit ihrer Lage begriff. Es hatte keinen Zweck, mit ihm zu reden. Tausend heilige Eide aus ihrem Mund würden ihn nicht erweichen. Der Mann, der sie von dort oben argwöhnisch betrachtete, war nicht mehr derselbe, der ihr damals von seiner Pilgerfahrt zum Grab des auferstandenen Erlösers erzählt, der die Schönheit des Jordanflusses gepriesen hatte, in dem Christus getauft worden war, und dessen Bericht über das lebhafte Gewimmel auf den Märkten und Basaren Jerusalems ihre Augen vor Staunen hatten glänzen lassen. Durch seine Erzählungen war auch sie an jenem Ort gewesen, hatte jeden Schritt zurückgelegt, den auch er gegangen war. Beelken hatte sich nicht nur vorgestellt, wie es sich anfühlte, auf einem Kamel zu reiten, wie heißer Wüstensand in den Augen brannte oder wie sonnengereifte Datteln auf der Zunge zergingen, sie hatte es mit allen Sinnen gekostet. Sie hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sich Sarazenen und Türken zum Ruf des Muezzins auf ihre bunten Teppiche knieten, um zu beten, und sie hatte den Ölberg erklommen, um im Schatten uralter Bäume zu verschnaufen. So unbeschreiblich nah war sie den Lippen des Pilgers gewesen, die all das Wundersame in Worte gefasst hatten, das sie zuvor nur aus ihren albernen Mädchenträumen gekannt hatte.
    Und diese Nähe sollte ihr nun, ein paar Jahre später, zum Verhängnis werden? Verschonte er sie nicht, weil sie die Fähigkeit hatte, zu sehen, was er sah, zu spüren, was er spürte?
    «Du weißt, dass für uns beide in Oudenaarde kein Platz mehr ist», sagte er schließlich. Seine Stimme klang ruhig. Gefasst. «Ich habe mir hier eine neue Existenz aufgebaut, und ich kann nicht riskieren, dass du mir alles zerstörst, was ich mir erarbeitet habe.»
    Diese Sichtweise hatte sie bereits erwartet, aber es tat dennoch weh, es aus seinem Mund zu hören. «Es ist wegen meiner Herrin, nicht wahr? Weil sie sich auf den Weg gemacht hat, um die schwarzen Schwestern zurückzubringen.»
    Er nickte. «Sie wird keinen Erfolg haben, denn sie sind tot. Alle bis auf eine, aber die wird auch bald nicht mehr am Leben sein. Ich habe jemanden hinter ihr hergeschickt.»
    «Warum?»
    Er gab einen wütenden Laut von sich. «Sie hat mein Buch gestohlen, verstehst du? Ich habe all die Jahre darauf gewartet, dass die Frauen es mir wieder zurückgeben. Nur eine kleine Weile sollte ich es ihnen überlassen. Es wäre ja nur zu meinem eigenen Schutz, hat diese falsche Schlange Bernhild mir eingeredet. Tatsächlich aber hatte sie längst erkannt, welche Macht damit in ihren Händen lag.»
    Während er weiter den Verrat beklagte, fiel Beelken der Septembertag vor vielen Jahren ein, an dem das Buch des überraschend Genesenen seinen Hüter gewechselt hatte. Sie selbst war kurz zuvor noch in der Krankenstube gewesen, um frische Leintücher für die Betten zu bringen, und war dabei Zeuge geworden, wie Mutter Bernhild sich mit einem dünnen, in dunkles Leder geschlagenen Buch an ihr vorbeigedrückt hatte. Damals hatte sie dem keine besondere Bedeutung beigemessen, zumal kurz darauf Uta, die Meisterin des Beginenhofes, mit einer Wagenladung Blütenhonig und Hanna Marx im Spital aufgetaucht waren. Hanna kam, um ihr eine Stellung als Magd im Haus des Teppichwebers anzubieten.
    «Was

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