Die Stadt der schwarzen Schwestern
zu.
«Kannst du die Worte deines Herrn bestätigen?», fragte der Stadtwächter.
Der Spanier nickte eifrig. «Si, Señor. Es ist genau so, wie mein Herr Euch gesagt hat. Das schwöre ich bei der heiligen Madonna. Ich überraschte die Gauner, als sie das Diebesgut begutachteten. Als ich es für meinen Herrn zurückforderte, fielen die beiden Männer über mich her. Anschließend fesselten sie mich, bis ich mich nicht mehr rühren konnte. Ihr habt mir das Leben gerettet. Wärt Ihr nicht gekommen, hätten sie mich getötet.»
«Der Mann lügt», rief Griet empört. «Er kam hier hereingeschlichen, weil er nach Papieren suchte. Nach einem Schreiben, in dem der Statthalter seine Auslieferung verlangt. Er wollte es an sich bringen und Don Luis im Schlaf mit dem Dolch erstechen.»
«Ach, wirklich?» Der Kaufmann tat erstaunt. Er öffnete seinen Umhang und zog sein Federmesser aus dem Gürtel. Ohne auf Erlaubnis zu warten, begann er die Fesseln seines Gehilfen zu durchtrennen. «Und wo sind nun diese ominösen Papiere? Könnt Ihr sie dem Stadtknecht zeigen? Zweifellos wird er das Siegel darauf erkennen.»
«Der Stadtknecht kann sogar lesen, sofern es Latein oder Flämisch ist», brummte der Hauptmann missmutig.
«Spart Euch die Mühe!» D’Anastro triumphierte. «Am Ende wart Ihr doch nicht so schlau, Griet van den Dijcke. Falls das wirklich Euer Name ist!» Er deutete auf einen Sack, der zur Hälfte vom Vorhang des Kastenbetts verdeckt wurde. Don Luis bückte sich danach, doch d’Anastro stellte sich ihm mit seiner ganzen Leibesfülle in den Weg. «Finger weg, Dieb», herrschte er Don Luis an. «Das gehört mir!»
Aus dem Sack holte er zwei Pokale aus purem Gold, in die kleine weibliche Gesichter graviert worden waren; der größere war am Rand mit Rubinen, der andere an den Henkeln mit Türkisen besetzt. Beide Gefäße stellten Meisterwerke flämischer Goldschmiedekunst dar und waren so hübsch, dass es Griet die Sprache verschlug. Weder in ihrem Elternhaus noch in dem Anwesen der Teppichweber hatte sie je etwas so Kostbares gesehen.
«Damit wäre doch wohl der Beweis erbracht, dass wir die Wahrheit sagen, Hauptmann», erklärte der Kaufmann gelassen. «Nehmt den Burschen fest und schafft ihn in den Kerker. Das Weib und den Alten könnt Ihr mir und meinem Gehilfen überlassen!»
Was nun geschah, ging so schnell, dass weder Don Luis noch Griet auch nur einen Finger rühren konnten, um es zu verhindern. Griet sah nur, wie der alte Dorotheus sich mit einem wütenden Aufschrei nach dem Dolch bückte, der während des Handgemenges mit dem Spanier zu Boden gefallen war, und ihn dem Mann in den Hals stieß. «Das ist für dich, du Brandstifter», rief er.
D’Anastro stieß einen Fluch aus, als sein Handlanger röchelnd zusammensackte. Er selbst wich zurück, während sich der Hauptmann auf den alten Mann stürzte, um ihn zu entwaffnen.
Don Luis griff nach Griets Handgelenk und schob sie an der kreischenden Wirtsfrau vorbei zur Tür hinaus. Sie rannten die Stiege hinunter.
«Die beiden fliehen!», hörten sie noch die Stimme des Kaufmanns, als sie das Haus verließen und in die eisige Winternacht eintauchten.
In Griets Kopf wirbelten die Gedanken wie Schneeflocken durcheinander. Während sie von Don Luis durch die Gassen gezogen wurde, glaubte sie mehrmals, Schritte hinter sich zu hören. Bestimmt hatte der Hauptmann ihre Verfolgung aufgenommen, zugleich dachte sie an Dorotheus, der ihnen die Flucht ermöglicht hatte. Es war ihnen nicht möglich gewesen, etwas für ihn zu tun. Griet fühlte sich schrecklich. Wenn er nicht erschlagen worden war, würde er wegen Mordes gehenkt werden, so viel stand fest. Davon abgesehen hatten sie ihren Gefangenen verloren, bevor der hatte reden können. Sie würden ihn nicht mehr nach Oudenaarde bringen können.
Griet riss sich ungestüm von Don Luis los. Sie blieb stehen und richtete ihren Blick verzweifelt in den schwarzen Himmel, aus dem es weiter schneite.
«Geht es noch?», erkundigte sich Don Luis besorgt. Er half Griet die Stufen eines engen Kellerabgangs hinunter. Dort konnten sie für ein paar Augenblicke bleiben, um neue Kräfte zu sammeln.
Griets Mundwinkel zuckten, nur mühsam hielt sie die Tränen zurück. «Wie könnt Ihr das fragen? Noch vor einer Stunde glaubte ich wirklich, alles würde gut werden. Wir sahen einen Weg, doch nun ist der Mann tot, der den Schurken in Oudenaarde entlarven könnte. Und wir …» Sie lehnte ihren Kopf gegen das kalte Mauerwerk. «Was
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