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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Dolch.
    Griet schrie laut auf, als das Messer sich durch den Deckenberg und den Strohsack bohrte. Der Mann fluchte, zog die Klinge wieder heraus, zweifellos überrascht, und drehte sich auf dem Absatz um. Er erkannte, dass er getäuscht worden war, eilte zur Tür. Doch der Eindringling hatte nicht auf den hölzernen Baldachin geachtet, auf dem Don Luis still verharrt hatte. Griet verließ nun ebenfalls ihr Versteck, desgleichen der Buchhändler, der Deckung hinter den Bettvorhängen gefunden hatte. Während Don Luis und der Eindringling sich auf dem Boden einen Schlagabtausch lieferten, tastete sich Dorotheus an der Wand entlang, bis er die Tür erreichte. Griet sah, wie er hinauseilte und kurz darauf mit zwei brennenden Kerzen zurückkehrte.
    Die Männer kämpften verbissen um das Messer, das der Einbrecher noch immer umklammerte. Es gelang ihm, Don Luis’ Wams aufzuschlitzen. Griet stockte der Atem, als seine silbernen Knöpfe über den Dielenboden rollten. Mit einer derart heftigen Gegenwehr hatte sie nicht gerechnet. Der Bursche war wenigstens eine halbe Elle größer als Don Luis und versuchte, ihm das Messer in den Leib zu rammen. Don Luis erwies sich jedoch als wendiger, es gelang ihm, den tödlichen Stößen seines Gegners auszuweichen. Schließlich konnte er den Mann mit einem gezielten Stoß gegen das Brustbein zu Boden drücken. Doch anstatt nun nach dem Messer zu greifen, gab Don Luis seinen Vorteil scheinbar auf, indem er von seinem Gegner abließ und sich flink zur Seite rollte; er winkelte die Beine an und schaffte es gerade noch, seinen Kopf wegzudrehen, bevor ein mit brutaler Gewalt ausgeführter Stich seinen Hals traf. Stattdessen bohrte sich die Klinge in eins der Dielenbretter. Darauf hatte Don Luis gewartet. Während der Mann sich abmühte, die Schneide aus dem Holz zu ziehen, versetzte er dessen Arm mit dem Ellenbogen einen derben Stoß, dann schmetterte er ihm seine Faust ins Gesicht. Ächzend schlug der massige Körper des Mannes zu Boden. Blut schoss aus seiner Nase, aber er ließ nicht davon ab, sich erneut auf Don Luis zu stürzen. Doch da sprang Dorotheus herbei und zog dem bereits Schwankenden einen hölzernen Schemel über den Schädel, sodass er stöhnend zusammenbrach.
    «Hab ich es nicht gesagt?», keuchte Don Luis, als Griet einen Schritt auf ihn zu machte. Er war mit seinen Kräften am Ende, schien aber abgesehen von ein paar Kratzern und Schrammen unverletzt.
    «Unser ehrenwerter Kaufmann wollte nicht darauf warten, bis ich ihm meine angeblichen Auslieferungspapiere übergab. Er schickte seinen Gast los, um sie uns noch in derselben Nacht abzujagen.»
    «Und Euch bei dieser Gelegenheit auch gleich zu ermorden», fügte Griet hinzu.
    Erschöpft sah sie zu, wie Don Luis und Dorotheus den Bewusstlosen fesselten und ihm dann Wasser ins Gesicht spritzten, um ihn aufzuwecken. Sie hätte sich eigentlich freuen müssen, denn ihr Plan war aufgegangen. Sie hatten den Mann in ihre Gewalt gebracht, der die schwarzen Schwestern getötet hatte. Mochte er auch nur ein Handlanger gewesen sein, dafür musste er büßen. Je länger sie ihn jedoch beobachtete, desto angespannter fühlte sie sich. Irgendetwas hatten sie übersehen. Aber was? Griet atmete tief durch und dachte nach. Sie mussten den Mann so schnell wie möglich nach Oudenaarde schaffen.
    Don Luis baute sich mit verschränkten Armen vor seinem Gefangenen auf und wartete, bis dieser die Augen aufschlug. Der Spanier hustete, dann verzog er angewidert das Gesicht und spuckte Don Luis vor die Füße. Er raunte ihm etwas auf Spanisch zu, das nicht gerade respektvoll klang.
    Don Luis zuckte unbeeindruckt die Achseln. «Du fragst mich allen Ernstes, warum ich mich als Spanier nicht schäme, mit Niederländern gemeinsame Sache zu machen, anstatt Männer wie d’Anastro zu unterstützen?» Er sprach Flämisch, da er davon überzeugt war, dass sein Gefangener diese Sprache besser verstand, als er zugab.
    «Sprecht Spanisch mit mir», verlangte dieser. Hochmütig warf er den Kopf zurück.
    Don Luis schüttelte langsam den Kopf. «Du bist es nicht wert, dass ich auch nur ein Wort in der Sprache an dich richte, die mein Vater mir beibrachte und selbst voller Stolz sprach. Gauner wie du treten unser Erbe mit Füßen in den Staub und bringen unsere Heimat durch ihre Grausamkeit und Skrupellosigkeit in Verruf. Dafür solltest du dich schämen.»
    Der Spanier knirschte höhnisch mit den Zähnen. «So reden nur Verräter oder Narren, Don Luis de Reon.»

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