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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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soll nun werden?» Nie zuvor hatte sie sich so allein gefühlt. Ihr war, als würde jeder Ziegelstein in ihrer Heimatstadt sie verhöhnen.
    «Ich gebe zu, dass wir uns zurzeit in keiner besonders günstigen Lage befinden», sagte Don Luis zögerlich.
    «Nur gut, dass Euch das auch auffällt! Dieser Stadthauptmann wird ganz Brüssel nach uns absuchen lassen. Dank d’Anastro weiß der Hauptmann, wer wir sind, auch wenn ich mich unter meinem Mädchennamen vorgestellt habe. Wir haben also die Wahl, zu erfrieren oder uns zu stellen.» Sie hob den Kopf. Ein Hauch von Hoffnung ließ ihre Augen leuchten. «Wir könnten versuchen, uns zu den spanischen Truppen durchzuschlagen, und deren Befehlshaber um Hilfe bitten.»
    Don Luis seufzte. «Nun ja, ich halte Don Alonso zwar für einen Ehrenmann, aber ich könnte nicht gerade behaupten, dass er ein Freund meines Vaters war. Die beiden stritten sich oft, meistens ging es um Frauen. Ich glaube, er war in meine Mutter verliebt und trug es meinem Vater nach, dass der König sie mit ihm verheiratete und nicht mit Don Alonso.»
    Griet schüttelte den Kopf. Gab es in dieser Gegend auch nur einen Menschen, der nicht hinter der geheimnisvollen Cäcilia her war?
    «Nein, wir müssen zunächst einmal zusehen, dass wir aus Brüssel verschwinden, ohne erwischt zu werden.» Er klang bitter. «Dieser verflixte d’Anastro, ich könnte ihm den Hals umdrehen. Aber natürlich hätte ich damit rechnen müssen, dass er mit einer List gegen uns arbeitet.»
    Griet sah den jungen Mann mitfühlend an. Doch es half niemandem, sich mit Vorwürfen zu belasten. D’Anastro hatte ihnen eine empfindliche Niederlage beigebracht, damit hatten sie sich abzufinden. Allerdings würde der intrigante Kaufmann sich nach einem anderen Handlanger umschauen müssen, den er dem Prinzen von Oranien auf den Hals hetzen konnte.
    «Ihr habt doch einen Verehrer in der Stadt!», bemerkte Don Luis plötzlich.
    Griet horchte überrascht auf. «Findet Ihr, dass es der richtige Zeitpunkt ist, um mir den Hof zu machen? Meine Nase läuft.»
    «Ich spreche nicht von mir, sondern von dem fetten Wachshändler, den wir im Haus d’Anastros getroffen haben. Dieser van Dongen. Der Kerl hat Euch den ganzen Abend mit seinen Blicken verschlungen.»
    «Ihr verwechselt mich mit dem Schweinebraten. Wenn van Dongen etwas verschlungen hat, dann den. An mir war er nicht interessiert, ich erinnerte ihn lediglich an …» Griet sprach nicht weiter. Sie ahnte, worauf der junge Spanier hinauswollte, und es behagte ihr ganz und gar nicht. Allerdings, wenn sie hier nun kläglich erfror, würde sie Basse niemals wiedersehen. Auch nicht, wenn sie in Brüssel des Diebstahls angeklagt wurde. Da war es vielleicht doch besser …
    «Was der Mann gesagt hat, ist die Wahrheit», gab sie widerwillig zu. «Er und meine Mutter kannten sich tatsächlich. Ich glaube, ich weiß, wo er wohnt.»
    «Worauf warten wir dann noch?» Don Luis spähte auf die menschenleere Gasse hinaus. Irgendwo rüttelte der Wind an einem losen Fensterladen. Ansonsten war alles still.
    Wie zwei Schatten huschten sie durch die Stadt, während der Schnee unter ihren Schuhsohlen knirschte. Ein paar Straßen weiter fand Griet im Hof einer düsteren Chorkapelle eine schmale Pforte. Sie bildete den Zugang zum Anwesen des Wachshändlers, dessen Haus versteckt hinter einer Reihe kahler Bäume zu sehen war.
    «Ihr, meine Liebe?» Dem Wachshändler fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er Griet zitternd vor seiner Tür stehen sah. «Das nenne ich ja eine angenehme Überraschung! Mein Gott, wie spät ist es denn? Graut etwa schon der Morgen?»
    Er öffnete eigenhändig, ohne einen Diener herbeizurufen. Dann gähnte er herzhaft. Griet stellte fest, dass er noch nicht im Bett gewesen war, denn er war vollständig bekleidet. Lediglich die nassen Stiefel hatte er ausgezogen. Griet nahm an, dass er nach seiner Heimkehr beschlossen hatte, den Abend mit einer weiteren Flasche Wein ausklingen zu lassen, und darüber eingenickt war.
    «Ich hätte bei diesem Burschen nicht so viel trinken sollen», jammerte der Wachshändler. «Mein Kopf fühlt sich an, als würde er gleich entzweispringen.»
    Griet zwang sich zu einem teilnahmsvollen Lächeln. Bevor sie die Tür schloss, winkte sie Don Luis, der seitlich an der Pforte gewartet hatte, und bedeutete ihm, leise hinter ihr ins Haus zu schlüpfen. Ohne sich um Don Luis zu kümmern, ging der Wachshändler gähnend und mit schwankenden Schritten voraus zur

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