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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Sein Blick wanderte durch die schäbige Schlafkammer, bis er Griet traf. «Sieh an, der hübsche Krüppel aus Oudenaarde. Ihr verbargt Euch hinter dem Vorhang, nicht wahr, Täubchen?» Er lachte leise. «Das dachte ich mir doch gleich. Ich konnte Eure Angst riechen und Euren Herzschlag hören. Hätte ich auf mein Gespür vertraut, so wärt Ihr jetzt mausetot. So aber seid Ihr mir schon zum zweiten Mal durch die Lappen gegangen. Jammerschade. Ihr erinnert Euch doch noch an unsere Begegnung in Oudenaarde?»
    Griet mochte weder daran zurückdenken noch sich verspotten lassen. Aber es war sicher kein Fehler, die redselige Stimmung des Gefangenen auszunutzen.
    «Oh, ich erinnere mich gut an dich», erwiderte sie lächelnd. Sie trat näher und tippte ihm spielerisch mit dem Zeigefinger gegen die Brust. «Damals habe ich dich mit einem einfachen Hühnerei besiegt, während Don Luis dir und deinem Kumpan klargemacht hat, dass ihr in Flandern nicht tun und lassen könnt, was ihr wollt. Ist dir damals der Gedanke gekommen, dir einen anderen Herrn zu suchen? Einen, der dir ein höheres Handgeld versprach und in dessen Auftrag du morden und foltern durftest, wie es dir beliebte?»
    «Kann schon sein, meine Schöne!» Der Spanier leckte sich lüstern die Lippen. Obwohl sein linkes Auge fast zugeschwollen war und Blut aus der Nase in seinen ungepflegten Bart tropfte, ließ er nicht davon ab, Griet mit anzüglichen Blicken zu verschlingen. «Und nun willst du wohl wissen, wer es war, der mich auf dieses Nonnenpack und sein dämliches Hexenbuch ansetzte, nicht wahr?»
    «Nun, wo wir gerade so gemütlich beisammen sind», sagte Don Luis.
    Der Spanier schaute ihn stirnrunzelnd an. «Ich sprach mit der hübschen Señora, aber nicht mit Euch, Verräter. Ihr habt keinerlei Befugnis hier in Brüssel, kein Wunder, wo sich die Stadt doch in den Händen der Rebellen befindet. Es gibt keine Auslieferungsforderung. Das ist alles gelogen. Wenn die Ketzerrebellen Euch erwischen, hängt man Euch so hoch wie mich.»
    «Du Schuft hast mein Haus angezündet, alle meine Bücher sind verbrannt», schaltete sich Dorotheus ein. Er kreischte schrill vor Wut.
    «Ach was, borrico ! Wenn ich der Obrigkeit erkläre, dass du selbst, blind wie eine Eule, durch Unachtsamkeit den Brand gelegt hast, wird das kaum jemand anzweifeln.» Er grinste den alten Mann höhnisch an. «Pass besser auf, dass du nicht selbst als Brandstifter aus der Stadt gepeitscht oder gleich gehenkt wirst.»
    Paulus Dorotheus schnappte nach Luft. Einen Moment stand er da wie ein hilfloser Greis, dann aber verwandelte sich seine Empörung in blanke Wut. Er stürzte sich auf den Gefesselten, und es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte ihm die Kehle zugedrückt. Nur mit Mühe gelang es Griet, den alten Mann zu beruhigen.
    «Der Alte ist wahnsinnig», frohlockte der Spanier. «Er gehört in den Narrenturm.»
    «Halt deinen Mund, ehe ich mich vergesse und ihm dein Messer in die Hand drücke.» Don Luis funkelte seinen Gefangenen mit drohender Miene an. Ihm dämmerte, dass es kein Zuckerschlecken werden würde, ihn quer durch die Ardennen bis nach Oudenaarde zu bringen. Und was, wenn der Bursche sich dort als ähnlich verstockt erwies wie hier? Wenn er Don Luis beschuldigte, ein Spion zu sein? Nach den frostigen Abschiedsworten, mit denen Farnese ihn auf die Reise geschickt hatte, konnte er längst nicht mehr sicher sein, dass der Statthalter ihm den Rücken stärkte. Er würde Beweise fordern, Beweise und Zeugen, die Don Luis’ Worte bestätigten. Der Gefangene schien trotz seiner Lage nicht im Geringsten besorgt. Noch immer bedachte er Griet mit unzweideutigen Blicken, dachte aber nicht daran, mit der Sprache herauszurücken.
    «Ich werde mich gleich morgen zum nächsten spanischen Feldlager durchschlagen und den Befehlshaber, Don Alonso de Queralt, um Hilfe bitten», meinte Don Luis. Der Vorschlag kam nur zögerlich, aber auch Griet sah ein, dass es kaum möglich war, den Gefangenen ohne Hilfe über die vereisten Straßen zu transportieren. Während Dorotheus den Spanier im Auge behielt, entwarf Don Luis mit ihr zusammen einen Schlachtplan.
    «Glaubt Ihr, dieser Don Alonso gewährt uns eine bewaffnete Eskorte?», fragte Griet skeptisch. Sie hatte nur wenig Vertrauen zu den Truppen König Philipps in Flandern, und das schloss auch seine Offiziere mit ein. Ein Blick aus dem Fenster vergrößerte ihre Sorge. Seit sie das Haus des Kaufmanns verlassen hatte, schneite und stürmte es

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