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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Wohnstube, einem getäfelten Raum, in dem ein Feuer im Kamin brannte. Auf dem blankgescheuerten Eichentisch, der fast die gesamte Länge der Stube einnahm, stand eine gigantische goldgelbe Kerze. Ein passender Schmuck für das Haus eines Wachshändlers, fand Griet. Daneben lag ein Brettspiel aus feinpoliertem Holz.
    «Offen gestanden habe ich nicht damit gerechnet, Euch so schnell wiederzusehen, meine Liebe!» Van Dongens Blick fiel auf Don Luis. «Und Euch auch nicht», fügte er wenig begeistert hinzu. «Was verschafft mir die Ehre dieses frühen Besuchs?»
    Griet hatte Don Luis vorgeschlagen, das Gespräch weitgehend ihr zu überlassen. In der nächsten Viertelstunde rührte sie den Wachshändler mit einer herzzerreißenden Geschichte. Jäh ernüchtert hörte dieser ihr zu.
    «Zuletzt bin ich ihm davongelaufen, hinaus in den Schnee!» Sie lächelte scheu. «Ich möchte Euch nicht in eine unangenehme Lage bringen, aber da Ihr so freundlich zu mir wart und auch meine Mutter gut kanntet … Falls ich jedoch ungelegen komme, kann ich mich auch an den Grafen Beerenberg wenden.»
    Van Dongen machte eine abwehrende Geste. «Aber ich bitte Euch. Das ist nicht nötig. Es war richtig, dass Ihr zu mir gekommen seid. Wie kann dieser dahergelaufene d’Anastro es wagen, der Tochter meiner guten Isabelle zu nahe zu treten?» Er kaute auf seiner dicken Lippe herum. «Er wollte Euch also verführen, dieser alte Bock? Und weil Ihr ihn zurückgewiesen habt, erfindet er nun Lügen über Euch. Ich muss sagen, dass ich von Anfang an kein gutes Gefühl bei diesem Burschen hatte. Er ist glatt wie ein Aal, versteht es aber auch zuzubeißen.»
    «Wir müssen schleunigst abreisen, bevor Gaspar d’Anastro noch andere Leute mit seinen Lügen ansteckt», sagte Don Luis nun doch. Wie Griet hatte auch er sich einen Platz dicht beim Kaminfeuer gewählt, um sich an den knisternden Flammen zu wärmen. Dabei entgingen ihm keineswegs die schmachtenden Blicke, die der Wachshändler Griet zuwarf.
    «Abreisen? Wo denkt Ihr hin, junger Mann?» Der Wachshändler schüttelte den Kopf. «Bei diesem Wetter werdet Ihr nicht weit kommen. Die armen Nonnen, die nach Sonnenaufgang aus Brüssel verbannt werden, tun mir jetzt schon leid. Warum lasst Ihr Euch nicht später von mir zum Stadtrichter begleiten? Der Alte ist ein guter Freund von mir, und er kannte auch Euren Vater, meine liebe Griet.»
    Das befürchtete Griet gerade. An den einstmals geachteten Amtsträger, der beim Kartenspiel Haus und Hof verloren hatte, erinnerten sich die Gerichte zweifellos. Dass der Wachshändler über diese Schmach kein Wort verlor, hatte wohl nur damit zu tun, dass er die schöne Isabelle nicht vergessen konnte.
    «Bitte, Mijnheer van Dongen, vergesst nicht, dass das Andenken meiner Mutter unter einem solchen Skandal leiden könnte.»
    Der Blick des Wachshändlers streifte Griets tauben Arm. Einen Moment schien er unsicher, wie er sich verhalten sollte, dann aber nickte er gnädig. «Nun ja, das wollen wir natürlich nicht. Ihr habt damals genug durchgemacht, als die arme Isabelle starb. Sie stürzte aus einem Fenster Eures Hauses, wenn ich mich richtig erinnere. Ein schrecklicher Unfall, der das Leben einer blühenden Frau jäh beendete. Ihr sollt noch versucht haben, sie zu halten, nicht wahr?»
    Griet spürte, wie ihr der Hals eng wurde. Obwohl sie noch immer fror, empfand sie die Wärme, die im Zimmer herrschte, plötzlich als unangenehm. Unwillkürlich blickte sie zu Don Luis hinüber. Er sah sie an, abwartend, aber geduldig und liebevoll. Das gab ihr die Kraft, die Bemerkung des Händlers zu bestätigen. Als dieser nach einer Weile den Raum verließ, um für seine Gäste ein Frühstück zubereiten zu lassen, ließ sie es zu, dass Don Luis sie an seine Brust zog. Griet spürte das kalte, feuchte Tuch seiner Jacke an ihrer Wange. Er roch nach frischem Schnee, nach Fremdheit und Vertrautheit.
    «Isabelle … meine Mutter … war in König Philipp verliebt», stammelte sie schließlich. «Sie konnte ihn nicht vergessen, seine Liebesschwüre hatten sich in ihr Herz gebrannt wie ein Mal. Die Vorstellung, dass sie für ihn nie mehr würde sein können als eine Mätresse, trieb sie langsam in den Wahnsinn. Sie hat mir das selbst gestanden, obwohl ich damals noch ein kleines Mädchen war.»
    Er nickte verständnisvoll. Noch immer hielt er sie fest. «Ich ahnte so etwas Ähnliches.»
    «Sie hätte niemals seine Frau werden können. Wer war sie schon? Eine Schönheit, gewiss.

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