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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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abgerieben hatte. Er schien Wert darauf zu legen, ihr zu gefallen, und Cäcilia musste zugeben, dass seine Rechnung aufging. Sie senkte den Kopf und gab vor, sich um den Zustand ihrer Stiefel zu sorgen. Für verliebte Blicke und Tändeleien war sie zu alt. Außerdem hatte sie Gelübde abgelegt und befand sich auf der Flucht. Wusste sie, ob sie morgen noch am Leben war? Das garstige Wetter ängstigte sie nicht, aber irgendwo in der Stadt liefen Leute umher, die das Buch haben wollten. Der Mann, der sie im Haus des alten Buchhändlers überrascht hatte, war offensichtlich nicht der Einzige, der ihrer Spur folgte. Zwei weitere Fremde, darunter eine Frau, schienen ebenfalls hinter ihr her zu sein. In welcher Beziehung diese beiden mit den schwarzen Schwestern standen, wusste Cäcilia nicht. Sie hatte den Blick des Mädchens nur kurz aufgefangen, bevor sie im Gewühl der Gasse untergetaucht war. Auf jeden Fall mussten sie und Tobias sich vorsehen. Wollte sie das Buch des Aufrechten in die Kurpfalz schaffen und dort übersetzen lassen, so durfte sie von nun an niemandem mehr trauen.
    Tobias teilte ihr mit, sich noch ein Stündchen aufs Ohr legen zu wollen. Das war gut, denn er brauchte alle seine Kräfte für den Weg, der vor ihnen lag. Nur zu gern wäre Cäcilia seinem Beispiel gefolgt, aber sie war zu aufgeregt, um auch nur ein Auge zuzumachen. So blieb sie nahe am Kohlebecken sitzen. Als sich eine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie zusammen.
    «Dotteres! Du hast mich fast zu Tode erschreckt. Wie schaffst du es nur, dich anzuschleichen, ohne dass das Stroh unter deinen Füßen raschelt?»
    Die junge Diebin ging neben ihr in die Hocke und grinste sie an. «Nicht schlecht, was? Hat mir mein Junge beigebracht. Von dem kleinen König kann selbst ich noch was lernen.»
    Cäcilia lächelte. Obwohl sie lieber allein geblieben wäre, vergaß sie doch nicht, wie freundlich die Frau an ihrem ersten Abend im Schuppen zu ihr gewesen war. «Wie geht es dem Jungen?», erkundigte sie sich. «Ich habe ihn heute noch nicht gesehen.»
    «Meinst du ich? Der Schlingel treibt sich wieder herum wie ein Straßenkater. Wehe, wenn mir Klagen zu Ohren kommen. Angeblich hat ihn ein fremder Bursche, der mit seiner Frau auf der Durchreise ist, in seine Dienste genommen. Was auch immer das heißen mag. Vermutlich hetzen die Leute ihn durch die Stadt, und alles, was er als Lohn bekommt, sind ein paar abgenagte Hühnerknochen. Das kennt man ja.»
    Cäcilia stutzte. «Ein fremdes Paar auf der Durchreise, sagst du? Hast du sie auch gesehen?»
    Dotteres schüttelte den Kopf. «Ich kann ihn ja fragen, sobald er sich mal wieder blicken lässt.» Einige Augenblicke lang stocherte sie mit einem Stecken in der Glut herum. Keiner der Männer, die in der Nähe saßen und dösten, jagte sie davon. Tobias’ Schutz schien sich auch auf Dotteres auszuweiten. «Hab gehört, Ihr wollt Euch aus dem Staub machen?», fragte die junge Frau nach einer Weile.
    Cäcilia antwortete nicht.
    «Keine Angst, Schwester. Ich habe keiner Menschenseele verraten, dass du ’ne Ordensfrau bist. Würde ich auch nicht tun, so, wie die Calvinisten euch momentan behandeln.»
    «Die Reformierten haben sehr gelitten, kein Wunder, dass sie die alte Lehre und alle, die ihr in den Niederlanden noch folgen, ablehnen.»
    Dotteres warf das Stöckchen ins glühende Becken und spie hinterher. «Kannst du uns nicht mitnehmen?», flüsterte sie. «Mich und die Kinder? Brüssel ist doch nicht die richtige Stadt für uns. Hier will uns niemand haben. Wenn wir nicht verschwinden, landet Wilhelmina in ein paar Jahren im Hurenhaus und der kleine König am Galgen.»
    «Aber das geht doch nicht, ich bin …» Cäcilia begann zu stottern. Was sollte sie tun? Tobias hatte ihre Flucht bis ins letzte Detail geplant. Er würde nicht erfreut sein zu hören, dass sich ihm weitere Personen, darunter Kinder, anschließen wollten. Möglicherweise lehnte er es sogar ab, sie zu führen, und überließ sie ihrem Schicksal. Das durfte sie keinesfalls riskieren. Sie war für das Buch verantwortlich, nur dafür. Andererseits hatte Cäcilia auch nie gelernt, nein zu sagen.
    «Wenn ich mich nicht irre, sind die Leute, die den kleinen König beschäftigen, hinter mir her», sagte sie schließlich. «Und sie sind gefährlich.»
    «Ein Grund mehr, uns mitzunehmen. Oder willst du, dass dem Jungen etwas zustößt?»
    Nein, das wollte Cäcilia natürlich nicht. Sie gab sich geschlagen. Unsicher spähte sie zu Tobias

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