Die Stadt der schwarzen Schwestern
sehr verändert?» Ihre Stimme klang angenehm, ein feiner Hauch von Ironie lag in ihren Worten. Aufmerksam musterte sie Don Luis, und was sie sah, schien ihr zu gefallen.
«Du bist es wirklich?»
Cäcilia nickte. «Ja, mein Sohn, ich bin es wirklich.» Sie machte keine Anstalten, näher zu kommen oder gar ihre Arme auszubreiten. Beherrscht faltete sie die Hände, als wollte sie ein Gebet sprechen. War sie überrascht, nach so vielen Jahren ihrem Sohn zu begegnen, so zeigte sie das nicht. Sie lächelte nur. Griet war enttäuscht. Bis sie begriff, dass Cäcilia viel zu klug war, ihren Sohn mit ein paar dürftigen Worten der Wiedersehensfreude zu gewinnen. Wäre ihr die Gelegenheit vergönnt gewesen, nur noch einmal mit ihrer Mutter zu sprechen, hätte sie vermutlich auch erst einmal geschwiegen.
«Soll das heißen, dieser Mann ist Euer Sohn?» Tobias stellte die Frage, auf die alle anderen gewartet hatten. «Ein Spanier?»
Cäcilia ließ sich auf einem wackeligen Schemel nieder, einem der wenigen Möbelstücke, die in dem Haus heil geblieben waren. Entschlossen warf sie ihren Schleier ab, sie wollte ihrem Sohn ihr Gesicht zeigen. Als Don Luis’ Blick auf das kurze, silbern glänzende Haar fiel, schluckte er.
«Ist dein Vater tot?»
«Schon seit Jahren. Er schickte mich nach Flandern zurück, um dich zu suchen. Damals, als die Spanier Antwerpen einnahmen.»
Tobias murmelte etwas Unverständliches. Vermutlich lag ihm die Neuigkeit, dass die von ihm so bewunderte Cäcilia einen spanischen Sohn hatte, schwer im Magen. Dennoch sah Griet auch in seinen Augen vor allem Neugierde.
«Ich habe den de Reons eine Menge Kummer bereitet», sagte Cäcilia zerknirscht.
Don Luis runzelte die Stirn. «Kummer, sagst du? Ist das alles, was dir dazu einfällt? Ich dachte, du seist tot. Von den Landsleuten deines Mannes erschlagen und in irgendeinem Grab verscharrt. Und das nur, weil ich zu spät kam. Verstehst du?» Er geriet nun völlig in Rage, schrie seiner Mutter alles entgegen, was sich in ihm aufgestaut hatte. Tränen schossen ihm in die Augen. «Deinetwegen kam ich mir wie ein Versager vor. Deinetwegen ließ ich mir eine Buße auferlegen. Deinetwegen jage ich rastlos von Stadt zu Stadt.»
Cäcilia hob erstaunt den Kopf. Sie öffnete den Mund, aber Don Luis war noch nicht fertig.
«Und was hast du getan? Du hast es vorgezogen, dich vor Vater, vor mir und dem Rest der Welt bei den schwarzen Schwestern zu verstecken.»
«Ich bin froh, dass du mich gefunden und mir das alles gesagt hast.» Cäcilia gewann ihre Fassung erstaunlich rasch zurück. «Und wer seid Ihr, meine Liebe?»
Griet berichtete in knappen Worten, dass sie in Oudenaarde lebte und ausgesandt worden war, um nach den schwarzen Schwestern zu forschen. Dass sie Don Luis liebte, erwähnte sie nicht. Sie fand, dass Cäcilia sich zuerst bemühen sollte, mit ihrem Sohn ins Reine zu kommen. Auf dem Weg nach Oudenaarde würden die beiden Zeit haben, um einander wieder näherzukommen.
Zu Griets Überraschung schüttelte Cäcilia den Kopf. Entschlossen drückte sie das Buch an sich. «Ich werde nicht mit euch gehen. Es tut mir sehr leid, aber das ist ausgeschlossen. Das Buch des Aufrechten würde dem Statthalter in die Hände fallen. Oder dem Mann, diesem Pilger, der seine verruchten Handlanger ausgeschickt hat, um es zu stehlen. Vergesst nicht, was er meinen Mitschwestern angetan hat. Sein spanischer Helfershelfer mag tot sein, aber da waren noch andere bei ihm. Mörder, die uns in Elsegem überfielen. Der Pilger wird schon ungeduldig sein, er wartet. Ich spüre, dass er auf Euch wartet!»
Griet ballte die Hände. Am liebsten hätte sie die Frau geschüttelt und angeschrien, aber sie sah nicht so aus, als ob sie das beeindruckt hätte. Erschöpft ließ sie sich auf einen Haufen Stroh fallen. Dass dieses nass war, kümmerte sie nicht.
Tobias, der kurz nach dem Rechten geschaut hatte, kehrte zurück. «Wir sollten nun aufbrechen. Bis in die Kurpfalz haben wir noch einen weiten Weg vor uns.»
«Ihr habt Euch also in den Kopf gesetzt, dieses Buch nach Frankenthal zu bringen?», fragte Don Luis eisig. Er deutete auf Dotteres und ihre Kinder. «Und was ist mit ihnen?»
«Sie kommen mit uns. Wenn du schon herausgefunden hast, wohin wir gehen, weißt du sicher auch, dass unsere flämischen Landsleute in dem Städtchen eine Gemeinde gegründet haben. Der pfälzische Kurfürst hat ihnen sogar ein aufgegebenes Chorherrenstift überlassen. Neben Tuchwebern, Malern und
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