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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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nachzustellen, musste ich handeln. Ich durfte nicht riskieren, dass sie in Brüssel auch von meinem Buch erfuhren und ihm hinterherjagten. Sie hätten de Lijs davon erzählt, und der sollte davon nichts erfahren. Ich brauche de Lijs. Er ist meine Sicherheit in dieser Stadt, sozusagen der Turm, in dem ich mich verstecken kann, solange das nötig ist. Es war übrigens gar nicht meine Idee, deinen Jungen samt Kinderfrau und alten Herrn zu entführen.»
    «Ach nein? Wer steckt dann dahinter?»
    Rink lachte. Es schien ihm Spaß zu machen, Griet von einer Ecke in die nächste zu treiben. «Die Brüder Osterlamm kamen auf den Gedanken, und de Lijs billigte ihn. Das sollte nicht verschwiegen werden. Die Herren fürchteten, Ihr könntet Euch alle zu den Anhängern der Rebellen in den Norden absetzen und die Stadt Farneses Zorn überlassen. Für Kaufleute wie de Lijs und die Osterlamms wäre das ärgerlich geworden. Doch keine Angst, kleine Griet, deine Angehörigen befanden sich nicht lange in den Händen dieser törichten Sippschaft. Ich war so frei, sie zu überzeugen, mir die Gefangenen abzutreten. Daher bin ich nun, wie es aussieht, der einzige Mensch auf Gottes Erden, der dir sagen kann, wo du sie finden kannst.»
    Er packte Griet und flüsterte ihr zu: «Bete, dass mir nichts passiert, sonst wirst du deinen Jungen nie wiedersehen, das schwöre ich dir. Und beschaffe mir mein Buch, hörst du? Ich habe lange genug gewartet.»

    «Und Ihr habt wirklich vor, Euch auf diesen schrecklichen Handel einzulassen?»
    Die alte Uta starrte Griet fassungslos an, als sie hörte, was diese kaum eine Stunde zuvor erlebt hatte. Obwohl es schon spät war, bat sie eine ihrer Mägde, das Feuer noch einmal zu schüren und den Frauen, die sich in ihrer Stube um das Schreibpult drängten, etwas Warmes zu trinken zu bringen.
    Griet umklammerte ihren Becher mit heißer Molke, bis ihre Fingerkuppen schmerzten. «Es bleibt mir nichts anderes übrig. Ich muss den Schein wahren, ihn zumindest in dem Glauben lassen, dass ich auf sein Angebot eingehe. Sonst ist mein Kind verloren. Er hat Basse und die anderen irgendwo hingebracht, wo niemand sie suchen würde.»
    «Aber du hast doch dieses verrückte Buch gar nicht», brummte Dotteres. «Was in drei Teufels Namen willst du ihm dann geben?»
    Cäcilia warf der ehemaligen Diebin einen tadelnden Blick zu, worauf diese seufzte und sich erbot, Griets Becher nachzufüllen. Ein Friedensangebot, das Griet gefreut hätte, wäre sie nicht vor Kummer und Sorge halb ohnmächtig gewesen.
    Cäcilia wandte sich Uta zu. «Es ist meine Schuld, Meisterin. Wäre ich nicht so besessen von der Idee gewesen, das Buch in Sicherheit zu bringen, wäre es nun hier, und Griet könnte ihre Angehörigen auslösen. Ich sollte zu diesem Mann gehen und ihm sagen, wo er das Buch des Aufrechten finden kann. Vielleicht glaubt er mir. Ich fühle mich zwar nicht mehr als Angehörige des Ordens, aber das kann er nicht wissen.»
    «Glaubt Ihr allen Ernstes, er reist dann Eurem Sohn in die Kurpfalz nach oder wartet, bis Ihr einen Boten dorthin geschickt habt?» Uta schüttelte den weißhaarigen Kopf. «Außerdem habt Ihr doch gehört, was die Witwe Marx gesagt hat. Der Mann lässt niemanden am Leben, der von dem Buch weiß oder in ihm den Pilger von damals erkennt. Es muss einen anderen Weg geben, um das Versteck des Knaben und seines Großvaters zu finden. Schließlich können sie nicht vom Erdboden verschluckt worden sein. Das heißt …» Die alte Frau beendete ihren Satz nicht. Irgendetwas war ihr eingefallen, Griet bemerkte es gleich.
    «Was habt Ihr?», rief sie.
    Die Begine antwortete nicht sofort. Stattdessen schob sie ihr ausladendes Schreibpult zur Seite, auf dem sie für gewöhnlich die Rechnungsbücher des Hofes führte. Das Pult ließ sich aufklappen. In einer Lade bewahrte Uta einige Bücher, Urkunden und Schriften auf, die ihr am Herzen lagen. Viele waren es nicht, denn auch die Liegenschaften der Beginen waren ständigen Kontrollen ausgesetzt. Daher hatte Uta gleich nach der Einnahme der Stadt dafür gesorgt, dass alle Dokumente und Bücher, die ein falsches Licht auf die Gemeinschaft hätten werfen können, verbrannt wurden. Zwei alte Stadtkarten jedoch hatte Uta behalten. Die eine hatte der Kartograph Jacob van Deventer im Jahr 1560 gezeichnet. Die andere war älter und stammte von der Hand von Utas Vorgängerin, der es ein Anliegen gewesen war, alle Häuser und Äcker, die den Beginen in Oudenaarde gehörten, auf dem

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