Die Stadt der schwarzen Schwestern
ihnen doch noch Soldaten ins Haus zu setzen. Sie konnten nur hoffen, dass die Männer ihre Mägde in Frieden ließen und sich nicht so wild und zügellos aufführten wie drüben bei de Lijs, wo die Söldner über die Vorräte im Weinkeller herfielen, wann immer ihnen danach war. Um nicht gegen das Plünderungsverbot des Statthalters zu verstoßen, warfen sie dem unglücklichen Kaufmann zwar stets ein paar Dukaten vor die Füße, doch damit ließ sich nicht einmal der Schaden beheben, den sie bei ihren Gelagen anrichteten. Der Wein blieb unbezahlt. De Lijs, dem klar war, dass eine Beschwerde im Rathaus nur wenig Aussicht auf Erfolg hatte, musste zähneknirschend zuschauen, wie die Soldaten bei ihm ein- und ausgingen.
Griet legte ihre Näharbeit zur Seite und stand auf, um nach unten zu gehen. Da Frans in der Teppichweberei war und Hanna Besorgungen machte, fiel ihr die Aufgabe zu, sich um die Soldaten zu kümmern, eine Pflicht, auf die sie gern verzichtet hätte. Sie seufzte, während sie vom Fenster aus zusah, wie mehrere Männer von ihren Pferden stiegen. Wenn sie Glück hatte, gaben sie sich mit einigen der Gesindekammern hinter dem Haus zufrieden, welche immerhin in der Nähe der Stallungen lagen. Griet hatte gehört, dass die Spanier ihre Pferde nur ungern aus den Augen ließen. Auf dem Flur stieß sie mit Beelken zusammen, die mit vor Angst weit aufgerissenen Augen durch ein Loch in einem der Fachwerkbalken starrte.
«Der Statthalter ist gekommen», flüsterte sie Griet zu. «Ich erkenne ihn genau. Er ist da, um uns zu holen.» Dem Mädchen schossen vor Aufregung Tränen in die Augen. «Ich hab’s gewusst, dass sie uns eines Tages verhaften würden. Vermutlich war es nur ein Versehen, dass Mijnheer Marx an jenem Abend auf dem Grote Markt freigelassen wurde. Die ganze Stadt zerreißt sich doch darüber das Maul. Adam Osterlamm und seine Freunde verbreiten überall, der Meister habe die Spanier mit Gold bestochen, damit sie ihn nicht hinrichten.»
«Unsinn», sagte Griet. «Woher soll er denn so viel Gold haben? Außerdem gab es reichere Ratsherren als ihn, denen das auch nicht gelungen ist. Wir müssen hinuntergehen und fragen, was die Männer von uns wollen.»
Das Mädchen schüttelte energisch den Kopf. «Das kann ich nicht. Bitte verlangt das nicht von mir. Ich fürchte mich zu sehr.» Griet seufzte, doch böse konnte sie dem Mädchen deswegen nicht sein. Beelken war blutjung gewesen, als sie ins Haus der Teppichweber gekommen war. Ihre Mutter, so hatte es Griet erzählt bekommen, war an der Pest gestorben, als Beelken noch klein gewesen war. Ihren Vater, der angeblich aus Frankreich kam, kannte sie nicht. Hanna hatte das verwahrloste Kind im Siechenhaus aufgelesen, wo sie in der kleinen Kapelle für die Kranken gebetet hatte und den schwarzen Schwestern, die sich als Einzige trauten, Pestkranken beizustehen, bei der Pflege zur Hand gegangen war. Sie galt in der Familie als Glückskind, weil sie die Seuche überlebt hatte, daher hatte Willem darauf bestanden, sie zu Basses Kinderfrau zu machen. Griet hatte geweint, weil ihr lahmer Arm sie dazu zwang, ihr Kind einer anderen Frau zu überlassen. Sooft sie sah, wie Beelken den kleinen Basse lachend in die Luft warf oder mit ihm ausgelassen durch die Stuben tollte, spürte sie einen Stich im Herzen. Sie redete sich ein, dass es närrisch war, auf eine Dienstmagd eifersüchtig zu sein, schließlich beschäftigte jede Familie, die etwas auf sich hielt, Ammen und Kinderfrauen. Aber ein wirklich inniges Verhältnis hatte sie zu der jungen Frau nicht entwickeln können. Hanna dagegen hatte einen Narren an ihr gefressen und behandelte sie fast wie eine eigene Tochter.
Griet befahl Beelken, nach dem schlafenden Basse zu schauen, und eilte dann selbst hinunter. Sie wollte nicht riskieren, dass die Spanier anfingen, auf dem Hof Hühner und Ziegen zu jagen oder sich an eine der Mägde heranzumachen. Als sie auf die Treppe trat, kam ihr der alte Geleyn entgegengelaufen, ein Knecht, der seit vielen Jahren in Frans Marx’ Diensten stand. Seit er nicht mehr gut zu Fuß war und sich auf einen Stock stützen musste, versah er die Aufgabe eines Verwalters. Er wirkte nicht weniger aufgeregt als die junge Kinderfrau.
«Bitte, kommt rasch, Herrin», rief er. «Der Statthalter ist mit einer Schar seiner Begleiter von einem Jagdausflug in die Ardennen zurückgekommen und wünscht nun einzukehren. Ich habe das Tor geöffnet, wie man mir befahl. Aber nun weiß ich nicht mehr, was
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