Die Stadt der schwarzen Schwestern
wird beschlagnahmt und fällt der Krone zu, so lautet das Gesetz. Das bedeutet, dass wir schon bald bettelarm sein werden.» Sie fing wieder an zu weinen.
«Er wird es nicht wagen, unseren Besitz anzutasten», rief Adam hitzig. «Dem ersten Landsknecht Farneses, der es wagt, meinen Hof zu betreten, jage ich eine Ladung Blei in den Bauch. Oder ich fackle das Haus eigenhändig ab, damit es niemandem in die Hände fällt. Farnese sieht doch so gerne Flammen auflodern. Bei der heiligen Jungfrau von Brügge, das kann er haben, dieser Teufel!»
Griet fuhr erschrocken zusammen. Sie hatte Verständnis dafür, dass Osterlamms Sohn erschöpft und wütend war. Nicht anders war es ihr nach Willems Tod ergangen. Doch was Adam von sich gab, konnte als Anstiftung zum Aufruhr ausgelegt werden. Sein Jähzorn würde ihm und seiner Familie, ja allen, die hier versammelt waren, zum Verhängnis werden. Ein einziger Spion genügte, um sie alle ans Messer zu liefern.
«Es ist doch noch gar nicht gesagt, dass die Spanier Euren Besitz konfiszieren», wandte sie vorsichtig ein. «Mein Schwiegervater ist der festen Überzeugung, dass Alessandro Farnese die Stadt nicht bluten lassen will. Seine Mutter wurde hier geboren, seine Vorfahren dienten als einfache Leute im Haus des Vogts de Lalaing.»
«Glaubt Ihr wirklich, ein Kerl wie der Statthalter lässt sich von sentimentalen Erinnerungen leiten?», rief Adam höhnisch. Er betrachtete sie mit einem plötzlich erwachten Argwohn, als nehme er ihre Anwesenheit erst jetzt wirklich wahr. «Wie naiv Ihr doch seid, Griet Marx.»
«Bei aller Achtung vor Eurer Trauer, Adam!» Der Drucker Pieter Rink, der den Wortwechsel bislang kommentarlos verfolgt hatte, kam Griet nun zu Hilfe. «Ihr solltet ein wenig ausruhen, anstatt die Witwe des Teppichwebers zu kränken, mein Freund. Frau Marx wollte Euch nur Hoffnung machen. Und Hoffnung brauchen wir doch alle, nicht wahr?»
Pamela nickte. Da sie wusste, wie streitsüchtig Adam war, schien sie erleichtert, als sich ihr jüngerer Bruder zu ihnen gesellte. Coen Osterlamm wirkte weit gefasster als Adam. Zwar verriet auch sein Gesicht Anzeichen von Müdigkeit und Kummer, doch hatte er saubere Kleidung angelegt und sich die langen Haare gebürstet. Stumm drückte er die Hände, die ihm entgegengestreckt wurden, ohne auch nur im mindesten preiszugeben, was in ihm vorging.
Nachdem er sich eine Weile mit dem Seidenhändler unterhalten hatte, wandte er sich Griet zu. «Sieh an, wer uns an einem Tag wie diesem die Ehre erweist», sagte er. Im Gegensatz zu Adam klang er nicht schroff, sondern höflich. Er küsste Griets Hand. «Es bedeutet mir viel, dass Ihr gekommen seid.»
Griet senkte verlegen den Blick. Sie fühlte sich unbehaglich; Adams Blicke in ihrem Rücken verrieten, dass sich längst nicht alle über ihre Anwesenheit freuten. Je mehr Zeit verstrich, desto größer wurde die Zahl derer, die sie mit teils vorwurfsvollen, teils neidischen Blicken anstarrten. Hanna, die noch immer im Erker saß, schien nicht wahrzunehmen, wie die Frauen, die sie seit Jahren kannte, nach und nach von ihr abrückten, bis nur noch die achtzigjährige Mutter des Glasmalers Blommaert übrig war, die nicht mehr gut hörte und schon reichlich wirr im Kopf war.
«Ihr müsst sehr erleichtert sein, dass der alte Frans Marx mit heiler Haut davongekommen ist, nicht wahr?», erkundigte sich Coen liebenswürdig lächelnd. «Schließlich sah es so aus, als ob alle Ratsmitglieder getötet würden.» Mit einer galanten Geste forderte er Griet auf, sich zu setzen, und befahl einer Magd, ihr den Becher mit einem würzigen Burgunder zu füllen.
«Wir rechneten mit dem Schlimmsten», gab Griet zu. Ohne sich etwas aus Wein zu machen, nippte sie gehorsam an ihrem Becher. Coen verfolgte jede ihrer Bewegungen, wobei sein Lächeln keinen Moment lang nachließ. Irgendetwas stimmte hier nicht. Obwohl der junge Mann höflich zu ihr war, wuchs in Griet ein Gefühl der Beklemmung, das ihr die Luft abzuschnüren drohte.
«Und Ihr habt wirklich keine Ahnung, was den Statthalter bewogen haben könnte, Euren Schwiegervater als Einzigen zu schonen, während er die anderen Ratsherren töten ließ? Ich meine, der alte Mijnheer Marx muss doch mit Euch und mit seiner Frau darüber gesprochen haben. Welche Erklärung hat er Euch gegeben?»
«Das frage ich mich auch!», rief Adam so unbeherrscht, dass sich seine Stimme überschlug. «Es muss einen Grund geben, warum der alte Marx noch lebt, während mein Vater
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