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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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der Treppe hörte sie, wie Adam die Tür aufriss und ihr etwas hinterherrief. Es klang alles andere als freundlich, aber sie drehte sich nicht mehr um.
    «Wir müssen noch auf die Bürgermeisterin warten», murmelte Hanna abwesend, während sie mit einer Hand ihren Rock raffte, um auf der schmalen Stiege nicht zu stolpern. «Sie ruht noch in ihrer Schlafkammer, habe ich gehört. Es gehört sich nicht, zu gehen, bevor wir ihr unser Mitgefühl bekundet haben. Die Osterlamms und die Marx’ gehören doch zu den vornehmsten Familien der Stadt.»
    «Ja, gewiss», sagte Griet. Sie hatte es oft genug hören müssen. «Und nun komm weiter! Wir müssen nach Hause.»
    Hanna blieb unverwandt stehen und starrte Griet an. Ihr Blick war jetzt ebenso feindselig wie der Adams. «Sie freuen sich gar nicht, dass Frans noch lebt und in Freiheit ist», zischte sie. «Es wäre ihnen lieber, er wäre tot oder läge im Kerker. Das habe ich in ihren Augen gelesen. Dann wäre für sie alles in Ordnung, und niemand würde unangenehme Fragen stellen. Aber so … Mein Gott, Griet, was sollen wir denn tun, wenn die Leute uns mit Missachtung strafen? Diese Schande … Ich würde das nicht überleben. Dann wäre es vielleicht besser gewesen, sie hätten Frans auch …» Sie schlug sich auf den Mund. «Oh, mein Gott, siehst du, wie weit du mich treibst mit deinem Ungehorsam? Ich versündige mich, und daran bist du schuld. Die anderen haben recht. Was wissen wir schon von dir?»
    «Sie werden sich wieder beruhigen, ich verspreche es dir. Rink und de Lijs werden ihnen schon den Kopf zurechtrücken.»
    «Das ist alles deine Schuld, Griet», wiederholte die alte Frau. «Seit Willems Tod bist du so seltsam. Ich trauere doch auch um ihn, natürlich mache ich das, er war mein Sohn. Aber benehme ich mich deswegen wie eine Verrückte? Dass du dich wegen dieses Eierweibs mit den Spaniern angelegt hast, war Irrsinn. Aber sie haben dich nicht mitgenommen, und deswegen ist der junge Osterlamm misstrauisch geworden. Nur deshalb.» Sie hustete rau. «Er hat gefragt, wer du bist, Griet», sagte Hanna. «Ich habe es genau gehört. Und bei Gott, im Moment könnte nicht einmal ich diese Frage beantworten!»
    Damit ließ sie Griet auf der Treppe stehen und stolperte die letzten Stufen hinunter, um nach Beelken Ausschau zu halten.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 5
    Während der nächsten Wochen blieb Griet im Haus und kümmerte sich gemeinsam mit Beelken um Basse. Der Junge dankte es ihr mit guter Laune und benahm sich so brav, dass Griets Niedergeschlagenheit langsam wich. Sie vergaß sogar Hannas bittere Worte.
    In den Straßen regte sich das Leben allmählich wieder. Die Nachbarn öffneten ihre Werkstätten und Läden, aus der Schmiede, deren Garten an den Hof der Teppichweberei grenzte, drang vorsichtig das Geräusch erster Hammerschläge. Wäscherinnen und Mägde liefen mit Körben voller Wäsche durch die Gasse. Hin und wieder zeigte eine im Vorbeigehen auf Griets Fenster. Dann zog sich Griet rasch zurück. Sie wollte nicht gesehen werden, nicht nach dem, was man ihr im Haus des früheren Bürgermeisters an den Kopf geworfen hatte. Frans erging es ähnlich, zumindest nahm Griet das an. Er war noch schweigsamer geworden. Früh im Morgengrauen stand er auf und verließ ohne Abschied das Haus, um in die Weberei zu gehen. Dort blieb er für gewöhnlich so lange, bis Hanna ihn nach Hause holte. Griet ahnte, dass er den Teppichwebern keine große Hilfe war, denn seine Gicht erlaubt es ihm nicht, auch nur einen einzigen Faden zu knüpfen oder das Schiffchen durch die straffgespannten Fäden zu lenken. Doch mochte die Kraft auch aus seinen Händen gewichen sein, das Gespür für die richtige Auswahl an Garnen und Stoffen hatte er nicht verloren. Frans hatte Griet und Willem einst beigebracht, Muster zu entwerfen, nach denen später gewoben wurde. Nun gab er sein Wissen an die Webergesellen und Lehrlinge weiter. Zwischen den Webstühlen fühlte er sich einfach wohler als zu Hause. Über den Tag des Strafgerichts verlor er kein Wort mehr, und Hanna hatte Griet verboten, ihn noch einmal dazu zu befragen.
    Eines Nachmittags wurde Griet von plötzlichem Lärm im Haus aufgeschreckt. Sie hörte, wie das große Tor aufgestoßen wurde und eine Schar Reiter im Galopp auf den Hof jagte. Im nächsten Augenblick erklang eine Fanfare.
    Einquartierung, war ihr erster Gedanke. Sie würden das Haus räumen müssen.
    Lange war die Familie davon verschont geblieben, nun schien man

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