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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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ich tun soll. Die Männer verlangen, dass Feuer gemacht wird. Außerdem wollen sie Wein und Dunkelbier.»
    «Der Statthalter, sagst du?» Griet verstand nun gar nichts mehr. «Er will sich hier bei uns ausruhen?»
    Geleyn klopfte nervös mit seinem Stab auf den Boden. «Nun, ich glaube nicht, dass ihm der Sinn danach steht, sich auszuruhen. Schaut selbst, Herrin!»
    Ehe Griet eine Antwort fand, füllte sich der Innenhof mit lärmenden und lachenden Männern in Jagdkleidung. Im Nu entstand ein unbeschreiblicher Wirbel. Stallburschen eilten unter Befehlen über den Sand, führten Rösser zu den Stallungen und schleppten Wassereimer und Haferbündel. Einige Jäger präsentierten stolz ihre Beute: einen wilden Keiler, mit den Läufen an lange Stangen gebunden, außerdem zwei stattliche Hirschböcke und Körbe mit Rebhühnern und Hasen, denen das Fell über die Ohren gezogen wurde. Verdutzt sah Griet zu, wie die Jagdbeute an Ort und Stelle ausgenommen wurde. Derweil luden Knechte Bier- und Weinfässer von Karren ab, und es dauerte nicht lange, bis in der Nähe des mächtigen Lindenbaums ein Feuer aufloderte. Bratspieße wurden über der glühenden Kohle befestigt. Musikanten spielten auf, die ungebetene Gesellschaft ging daran, ihren Jagderfolg zu feiern.
    «Ihr seht nicht aus, als würde Euch meine kleine Überraschung Freude bereiten, Herrin.» Betäubt von dem Trubel, hatte sich Griet an das eiserne Geländer der Treppe geklammert. Als sie ihren Blick hob, erkannte sie denselben jungen Mann, der ihr vor der Kirche zu Hilfe gekommen war. Wie damals trug Don Luis auch heute ein schwarzes Wams und eng anliegende Beinkleider. Er sah nicht so aus, als habe er einen Jagdausflug hinter sich, er schien geradewegs aus einer Schreibstube zu kommen. Seine Fingerspitzen waren mit Tinte beschmiert.
    «Ihr?», rief Griet. «Dann verdanke ich Euch diesen Überfall? Wie könnt Ihr es wagen, hier auf meinem Hof Eure Wildschweine zu rösten und unseren Wein zu trinken? Ich werde meinen Schwiegervater holen, damit er diesem Treiben ein Ende macht.»
    Griet drängte sich an Luis de Reon vorbei, blieb aber nach einigen Schritten stehen. Vor ihr tauchte ein hochgewachsener Mann mit schwarzem Bart auf, der sie mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen ansah. Griet erkannte ihn auf Anhieb und ärgerte sich, dass sie sich nicht früher ins Haus zurückgezogen hatte. Jetzt ließ es sich nicht mehr vermeiden, sie musste dem Statthalter begegnen. Zurückhaltend erwiderte sie den Gruß des Mannes, der ihre Stadt und ganz Flandern in die Knie gezwungen hatte, dachte aber nicht daran, vor ihm das Knie zu beugen. Farnese schien das auch nicht zu erwarten. Im Gegenteil, in seinem nachlässig geschnürten Lederwams, unter dem eine breite, dunkel behaarte Brust zu sehen war, mit schmutzigen Stulpenstiefeln und seinem bis in die Stirn gezogenen Barett sah er männlich, aber nicht gerade fürstlich aus. Einzig der spitzgeschliffene Dolch an seinem Gürtel wirkte bedrohlich. Er schien müde, aber mit sich und dem Verlauf des Tages zufrieden zu sein. Offensichtlich war ihm das Jagdglück hold gewesen, ihm und seinen spanischen Begleitern, die inzwischen mit Hammerschlägen die Spundlöcher der Weinfässer geöffnet hatten und den Herzog von Parma hochleben ließen. Die Hunde bellten wild beim Gegröle der Männer.
    «Ein reizender Einfall, uns einzuladen, meine Teure», richtete Alessandro Farnese das Wort an Griet, die das Treiben rund um den Lindenbaum mit unterdrücktem Groll verfolgte. Ein verlockender Bratenduft stieg ihr in die Nase. Wie um alles in der Welt konnte sich dieser Mann hier eingeladen fühlen?
    «Frau Griet?»
    Sie begegnete Farneses forschenden Blicken. Etwas lag darin, was sie verunsicherte, aber sie konnte nicht sagen, was es war. Sie musste zugeben, dass der Herzog einen besseren Eindruck auf sie machte, als sie angenommen hatte. «Verzeiht, Euer Gnaden, was habt Ihr gesagt?»
    «Der Statthalter bedankt sich dafür, dass Ihr so gütig seid, eine ausgehungerte und müde Meute zu beherbergen», erklärte Don Luis ironisch, bevor der Herzog den Mund aufmachen konnte. Griet funkelte ihn an. Was war hier los? Wenn das ein Scherz sein sollte, dann war es ein schlechter. Vor dem großen Tor zur Gasse hatten sich inzwischen die ersten Neugierigen eingefunden. Sie tuschelten miteinander. Bis zum nächsten Angelusläuten würde sich in ganz Oudenaarde herumgesprochen haben, dass Griet den Statthalter bewirtete.
    Wie soll ich das unseren

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