Die Stadt der schwarzen Schwestern
Gemüt gelegt hatten. Ihr Entschluss war gefasst. Einen der Räume im Haupthaus brauchte sie, um ihre Schreibstube einzurichten, vielleicht auch noch einen zweiten für Akten, die bei dem Unternehmen, das ihr vorschwebte, gewiss schon nach kurzer Zeit Schränke und Truhen füllen würden. Dass sie mit Basse im Kloster schlief, kam allerdings überhaupt nicht in Frage. Dafür haftete dem verlassenen Gemäuer zu viel Schwermut an. Im Pförtnerhäuschen würde es ihnen dagegen gutgehen, Griet konnte darin kochen, und Basse fand vor der Pforte und im Hof genügend Platz zum Spielen. Außerdem bot das Tor einen gewissen Schutz vor Eindringlingen.
«Du hast dich also entschieden?», holte eine vertraute Stimme Griet aus ihren Gedanken. Hanna und Beelken, die sie gebeten hatte, während ihres Erkundungsgangs durch das Kloster auf Basse aufzupassen, standen plötzlich vor ihr auf dem Hof. Die Frau hatte Mühe, ihre Abscheu zu verbergen, als sie das Anwesen und den moosbewachsenen Hof begutachtete. Offensichtlich tat sie sich schwer mit der Vorstellung, dass ihr Enkel, Willems Sohn, künftig hier wohnen sollte. Basse dagegen machte ein begeistertes Gesicht. Er hatte den baufälligen Hühnerstall entdeckt, der versteckt unter einer Gruppe von hohen Bäumen stand, und flitzte auf den Verschlag zu. «Das gehört Basse», krähte er vergnügt. «Da will Basse wohnen.» Im Gebüsch raschelte es. Aufgeschreckt von Basses Geschrei, brach eine getigerte Katze hervor und flüchtete laut fauchend auf die Klostermauer, wo sie zum Bedauern des Jungen blieb und seine neuen Mitbewohner skeptisch musterte.
«Ich habe mir alles gut überlegt», erwiderte Griet leise. «Ich möchte nicht nach Antwerpen. Ich möchte hierbleiben.»
Die Katze fauchte erneut.
Hanna gab sich geschlagen. Sie hatte nicht wirklich erwartet, Griet umstimmen zu können. Dass ihr Abschied friedlich, ja sogar einigermaßen gefühlvoll ausfiel, lag einerseits an Basse, der die Haube seiner Großmutter großzügig mit Hühnerfedern schmückte, andererseits an den Passierscheinen, die Griet ihr zusteckte. Sie erlaubten den Schwiegereltern, Oudenaarde zu verlassen.
Am Tor hielt Hanna noch eine Überraschung für Griet bereit. «Beelken will unbedingt bei dir in Oudenaarde bleiben», vertraute sie ihr mürrisch an. «Nach allem, was ich für dieses undankbare Geschöpf getan habe, lässt sie uns jetzt im Stich. Sie wird ja sehen, wohin das führt.»
Griet war überrascht, sie hatte von Beelkens Absicht keine Ahnung gehabt, fragte sich aber, ob Hanna doch Verdacht geschöpft hatte. Entgegen ihren anklagenden Worten schien sie es nicht zu bedauern, die Dienstmagd in der Stadt zurückzulassen. Als sie mit gerafften Röcken der Wijngaardstraat hinab zum Ufer der Schelde folgte, drehte sie sich nur einmal kurz um, um Basse zuzuwinken. Dann verschwand sie hinter einer Hausecke.
«Ich hoffe, Ihr habt nichts dagegen, dass ich bei Euch bleibe», meinte Beelken mit einem zaghaften Lächeln. «Aber ich konnte mich einfach nicht von Basse trennen. Außerdem …» Sie redete nicht weiter, doch Griet begriff auch so, was in ihr vorging. Beelken hatte befürchtet, im fremden Antwerpen vor die Tür gesetzt zu werden, sobald ihr Bauch sich zu wölben begann. Sie blieb nicht aus Anhänglichkeit, vielmehr aus praktischen Erwägungen, aber das störte Griet nicht. Sie hatte kein Geld, um Dienstboten zu bezahlen, doch Beelken und ihr Kind würde sie satt bekommen. Davon abgesehen würde sie von nun an dankbar für jeden Menschen in der Stadt sein, der ihr nicht den Rücken zukehrte.
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Kapitel 9
Griet und Beelken arbeiteten bis in den Abend hinein, um das Pförtnerhäuschen bewohnbar zu machen. Sie scheuerten die Böden und kehrten den Staub hinaus. Durch die weit geöffneten Fenster drang zum ersten Mal seit Jahren wieder frische Luft in die Stuben. Sogar an die getigerte Katze wurde gedacht; ein Schälchen Milch vor der Haustür sollte ihr zeigen, dass ihr von den neuen Bewohnern keine Gefahr drohte. Zu Griets Erleichterung war das Mauerwerk nicht feucht, auch das spitz zulaufende Dach, auf dem sich ein zierlicher eiserner Hahn im Wind drehte, war offenbar dicht genug, um Regen und Schnee abzuhalten. In der großen Stube gab es einen Ofen, der, gespeist mit dem Holz des Hühnerstalls, bald überall im Haus eine wohltuende Wärme verbreitete.
Griet lauschte den Glockenschlägen der Sint-Walburgakerk, während sie Kisten, Bündel und Truhen öffnete, um ihren
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