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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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wiederzuerlangen. Sie hat vor, Sicherheit zu verkaufen. Ist das zu fassen?» Er lachte freudlos.
    «Sicherheit?» Pater Jakobus runzelte die Stirn. «Was ist denn das für eine ketzerische Idee? Sicherheit gewährt allein Gott, man kann sie weder kaufen noch verkaufen.»
    «Ach, nein? Warum bietet die Kirche dann nach wie vor Ablassbriefe zur Tilgung von Sünde und Schuld an?», konterte Don Luis. «Ist das etwas anderes?»
    «Das ist etwas völlig anderes!» Pater Jakobus suchte nach Argumenten, aber es fielen ihm keine ein. In seiner Jugend, lange bevor er die Priesterweihen empfangen hatte, hatte er sich viele Nächte um die Ohren geschlagen, um heimlich die Schriften Luthers und Calvins zu studieren, die auf abenteuerlichen Wegen in die Niederlande geschleust worden waren. Er hatte darin so manche Antwort gefunden, aber nicht das Recht einfacher Gläubiger, neue Kirchen zu errichten und die alte den Päpsten und Bischöfen zu überlassen. Pater Jakobus predigte, was ihm sein Gewissen befahl, er hielt aber nichts davon, mit Gewalt all das abzuschaffen, was den Gläubigen seit Jahrhunderten Halt und Trost gab.
    «Dem Statthalter scheint Griet Marx’ Vorhaben jedenfalls zu gefallen, denn er hat ihr das Privileg bereits ausgestellt», brachte Don Luis sich wieder in Erinnerung. Er klopfte auf sein schwarzes Wams. «Ich habe das Dokument bei mir. Es enthält die Vollmacht, den Gilden und Zünften der Stadt sowie in allen umliegenden Dörfern Sicherheitsbriefe auszustellen. Auch einzelne Personen können sie für ein paar lumpige Dukaten kaufen. Je größer das Vermögen, desto teurer die Briefe. Der Besitz eines solchen Briefes verpflichtet Griet Marx, dafür zu sorgen, dass Hab und Gut des Betreffenden geschützt werden. Das mag insbesondere für Kaufleute interessant werden, deren Handelszüge oft in den Ardennen überfallen wurden. Die Briefe sind ein Jahr gültig. Sollten in dieser Zeit tatsächlich Schäden entstehen oder Verluste auftreten, so muss Griet Marx dafür geradestehen. Falls aber nichts geschieht, streicht sie ein hübsches Sümmchen ein und kann für ein weiteres Jahr Briefe ausstellen.»
    Der Priester blickte nach wie vor skeptisch drein. «Mir will das nicht gefallen, dieses Geschäft mit Sicherheit», sagte er. «Es ist fast so verwerflich wie das Zinsnehmen. Damit beschwört die Frau nur Unheil herauf. Wie will sie die Menschen überhaupt vor Schaden bewahren?»
    Don Luis machte eine hilflose Geste. «Das kann sie nicht», gab er zu. «Der Statthalter hat mich damit beauftragt, ihr neues Gewerbe zu beaufsichtigen. Sollte jemand vorsätzlichen Schaden anrichten, wird sein Brief sofort zerrissen und derjenige bestraft. Außerdem werden die in der Stadt liegenden spanischen Truppen künftig weniger Freiheiten genießen und sich daher zweimal überlegen, wie sie mit den Flamen und ihren Frauen umspringen. Farnese hat seine Offiziere angewiesen, ihren Mannschaften und den Söldnern scharf auf die Finger zu sehen. Diejenigen, die in der Stadt für Ordnung und für den Schutz von Häusern und Werkstätten sorgen, anstatt herumzuziehen und in den Kellern der Weinhändler und Gastwirte zu prassen, erhalten eine besondere Entlohnung.»
    Don Luis ging zum Ofen hinüber, um sich wie Pater Jakobus die Hände zu wärmen. Der Ofen reichte bis zur Decke des Raumes und verfügte über einen festgemauerten Unterbau, der mit hübsch bemalten Kacheln geschmückt war. Die Wärme tat ihm gut, sie half ihm beim Nachdenken.
    «Wie kann ich Euch denn nun behilflich sein?», hörte er Jakobus’ Stimme. Sie drang dumpf durch die Wand aus Erschöpfung und Mutlosigkeit, die er selbst aufgebaut hatte.
    Er drehte sich um. «Griet Marx zieht ins Haus der schwarzen Schwestern», sagte er leise. «Was wisst Ihr über diese Frauen?»
    Der Priester hob erstaunt den Blick. Es war lange her, seit er das letzte Mal an die Nonnen und ihr altes Haus in der Wijngaardstraat gedacht hatte. Er hatte sie schon fast vergessen, sie, ihre merkwürdigen Heimlichkeiten und Bernhild, ihre Oberin, mit der er nicht nur angenehme Erinnerungen verband. Er wunderte sich, dass Don Luis sich ausgerechnet jetzt nach den Frauen erkundigte.
    «Die schwarzen Schwestern wurden mehrfach von ketzerischen Bilderstürmern überfallen. Das erste Mal vor fünfzehn Jahren, als Margarethe von Parma in Brüssel regierte. Das Kloster in der Wijngaardstraat wurde dabei fast völlig verwüstet. Dasselbe geschah noch einmal sechs Jahre später. Doch die Nonnen haben ihr

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