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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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antwortete Griet. Sie zögerte. Ihre letzte Begegnung mit de Lijs war nicht gerade gut verlaufen, dennoch war Beelkens Vorschlag gar nicht dumm. Sie brauchte de Lijs auf ihrer Seite und musste daher bereit sein, auf ihn zuzugehen.

    Zu ihrer Überraschung begrüßte der Weinhändler Griet am nächsten Morgen in seinem geräumigen Kontor sehr liebenswürdig und unterbrach bereitwillig seine Arbeit, um sich mit ihr zu unterhalten.
    «Ihr scheint es ja wirklich ernst zu meinen», entgegnete er auf ihr Angebot, seine Fracht nach Namur durch den Erwerb eines ihrer Briefe zu sichern. De Lijs winkte sie ans Fenster, das aus flaschengrünen runden Butzenscheiben bestand, und öffnete es, damit sie einen Blick ins Freie werfen konnte. Tief unter ihr floss gemächlich die Schelde vorbei. Zur linken Hand erkannte Griet die Brücke, welche die Stadt mit dem anderen Ufer verband; wenige Schritte von ihr entfernt lagen de Lijs’ Lastkähne, die gerade von Knechten beladen wurden.
    «Seht Euch das an.» In de Lijs’ Stimme lag Stolz, als fühlte er sich wie der Kapitän einer Seeflotte. «Zwanzig Fässer besten Weines sollen auf Wunsch der Statthalterin in die Festung von Namur gebracht werden!»
    «Ihr meint auf Befehl des Statthalters?»
    De Lijs öffnete auch noch die übrigen Fenster, um frische Luft ins Kontor zu lassen. Griet, die es vorher noch nie betreten hatte, sah sich interessiert um. Der Raum war mit einem breiten Rechentisch, zwei Schreibpulten für Gehilfen, Regalen und gestapelten Fässern eher bescheiden als verschwenderisch ausgestattet. Eine hübsche silberne Lampe hing über einer Kommode, die mit Frachtbriefen und Auftragsbüchern vollgestopft war. Der Fußboden war gescheuert, jedoch lagen keine Teppiche darauf, um die Kälte, die durch sämtliche Ritzen drang, abzuwehren. Den einzigen Zierrat bildete das Familienwappen des Kaufmanns, das de Lijs’ Vater einst in bunten Farben an die kahle Wand hatte malen lassen: ein Adler mit gespreizten Flügeln, die ein Boot und ein Fass beschirmten. Es drückte den Stolz der alten flämischen Händlersippe aus, auf Griet wirkte es jedoch einschüchternd.
    «Margarethe von Parma ist offiziell bereits seit zwei Jahren wieder in Amt und Würden, deshalb nenne ich sie Statthalterin», erklärte de Lijs schließlich. «Philipp II. hat sie nach dem Tod seines Halbbruders gebeten, die Regierungsgeschäfte erneut zu übernehmen. Das weiß aber kaum einer in Flandern. Farnese hat nämlich heftig dagegen protestiert, der Oberbefehl über Philipps Truppen genügt ihm nicht. Er will die ganze Macht für sich allein, versteht Ihr? Margarethe von Parma sitzt in Namur fest, manche munkeln sogar, sie sei eine Gefangene ihres eigenen Sohnes.» Er schnaubte verächtlich. «Zum Trost schickt er der armen Frau Wein, damit sie ihren Kummer ertränken kann. Margarethe hat ihren Bruder in Spanien bereits angefleht, sie wieder nach Italien zurückkehren zu lassen, aber Philipp ist der Meinung, sie müsse ausharren. Sein Neffe aus Parma ist ihm wohl selbst nicht ganz geheuer.»
    Griet stieß die Luft aus. Davon hatte sie in der Tat nichts geahnt, doch es erklärte Farneses Misstrauen gegenüber seiner eigenen Verwandtschaft. Er fürchtete seinen Onkel, der ihn aus einer Laune heraus jederzeit abberufen und durch einen anderen fähigen Feldherrn ersetzen konnte, und er fürchtete seine Mutter, die einen Titel trug, den er nur benutzen durfte, um sich beim Volk Respekt zu verschaffen.
    «Margarethe ist hin- und hergerissen», sagte de Lijs. «Wie ihr Vater, der alte Kaiser Karl, fühlt sie sich ihrer niederländischen Heimat verbunden, aber sie hat keine andere Wahl, als dem König zu gehorchen. Dieser Konflikt tobt in ihrem Innern, seit ich zurückdenken kann. Vor fünfzehn Jahren, als die ersten Aufständischen zu den Waffen griffen, kostete er sie ihr Amt.»
    Er musterte Griet mit einem nachdenklichen Blick. Eine Weile sprach er nicht mehr, dann aber reichte er ihr die Hand. «Auf meine Ware habe ich immer selbst aufgepasst. Aber mir gefällt der Gedanke, Euch für den Schaden zahlen zu lassen, falls meine zwanzig Burgunderfässer nicht in Namur ankommen. Nicht dass ich Euch Verluste wünschen würde, beileibe nicht.» Er rückte näher an sie heran. «Ich schätze Euch sehr, Griet, das wisst Ihr doch hoffentlich. Auch wenn Ihr mich neulich vor dem Statthalter reichlich dumm habt aussehen lassen.»
    «Das tut mir leid.» Griet drückte de Lijs’ plumpe Hand und schenkte ihm ein

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