Die Stadt der schwarzen Schwestern
dem Gemurmel seines Gesellen zu stören, der hinter der Druckerpresse stand und den Kasten mit Lettern sortierte.
Griet erwiderte den Gruß des Mannes dankbar. Nach dem Vorfall auf dem Grote Markt hätte es sie nicht verwundert, wenn Pieter Rink sie hinausgeworfen hätte. Das aber wäre eine Katastrophe gewesen. Sie brauchte seinen fachmännischen Rat, denn er war der einzige Druckermeister in Oudenaarde. Daher nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sagte: «Ich bin gekommen, weil ich Euch bitten möchte, eine gewisse Anzahl von Papieren für mich zu drucken. Vielleicht habt Ihr schon gehört, dass ich einen Handel eröffne?»
Pieter Rink nickte. «Wer am Markt wohnt, dem entgeht das Geschwätz nicht. Was Euch betrifft, so glaube ich nicht alles, was sich die Leute erzählen. Es tut mir leid, dass Adam Euch in seinem Haus derart angefahren hat. Das war nicht richtig von ihm. Er hat sich wohl bis heute nicht bei Euch dafür entschuldigt?»
«Adam hat das Haus meiner Schwiegereltern gekauft», sagte Griet ausweichend. «Das Geld brauchen sie, um sich in Antwerpen ein neues Leben aufzubauen.»
«Ja, dieser Tage verlassen viele Menschen ihre Heimat und begeben sich auf eine Reise ins Ungewisse. Gott helfe ihnen, dass sie den Mut nicht verlieren.» Der Drucker rieb noch immer an seinen Händen, gab den Kampf gegen die Druckerschwärze jedoch bald auf und schickte seinen Gesellen mit einem Auftrag aus dem Haus. Griet nahm an, dass er mit ihr allein sprechen wollte, und hoffte, ihn nicht ins Gerede zu bringen. Als sie ihm ihre Befürchtung mitteilte, führte er sie lachend durch die Werkstatt.
«Mein Haus wurde in den vergangenen Jahren so oft durchsucht, dass ich gar nicht mehr weiß, wer mir alles die Ehre gab. Wir Drucker leben in diesen Zeiten gefährlicher als jeder Landsknecht; viele von uns stehen mit einem Bein auf dem Scheiterhaufen, weil sie Schriften vervielfältigen, die der Obrigkeit nicht gefallen. Ihr wart noch ein Kind, als der König den berüchtigten Herzog von Alba in die Niederlande schickte, aber gewiss habt Ihr gehört, welchen Schrecken er als Statthalter verbreitet hat.» Er zuckte mit den Achseln. «Und wie sieht es heute aus? Nicht besser, wenn Ihr mich fragt. Als Osterlamm die Stadt regierte, wollte er mich beauftragen, die Institutio zu drucken, ein Werk Calvins, sowie die Confessio Belgica , eine Schrift, auf die sich die Protestanten berufen. Er bot mir eine Menge Geld dafür, aber ich weigerte mich. Hätte ich mich von ihm überreden lassen, so wäre ich am Gerichtstag vermutlich zusammen mit den Ratsherren hingerichtet worden, so aber fanden die Spanier keine verbotenen Bücher in meiner Werkstatt.»
«Es war gewiss klug, sich nicht von Osterlamm einfangen zu lassen.»
Pieter Rink warf einen Blick aus dem Fenster und überzeugte sich, dass niemand vor der Druckerei herumlungerte. Dann streckte er seinen Arm nach der Leine über seinem Kopf aus, an der harmlose Erbauungstraktate und Teile einer griechischen Grammatik hingen, und zog ein paarmal so kräftig an der Schnur, dass die daran befestigten Buchseiten raschelten. Griet bemerkte nun, dass das Ende der Schnur um einen eisernen Haken geschlungen war, der in die Wand geklopft worden war. Mit einem Knirschen löste sich nach einigem Ziehen ein Stück der hölzernen Verkleidung wie ein Pfropfen von der Wand. Es war kaum größer als die Hand eines erwachsenen Mannes, erlaubte aber den Blick auf einen schmalen Hohlraum, in welchem Griet zu ihrer Verwunderung einige Bücher und zusammengerollte Dokumente ausmachen konnte.
«Meister Rink …», begann sie, war aber so durcheinander, dass sie keine Worte fand. Der Drucker besaß ein geheimes Versteck. Gut. Aber wieso zeigte er es ihr, einer fast Fremden?
«Ich hoffe, Ihr wisst nun, dass Ihr in mir einen Freund habt, Griet Marx!» Pieter Rink nickte ihr mit verschwörerischer Miene zu. Seine Augen glänzten. «Ihr seid anders, als die Leute in der Stadt von Euch behaupten, das weiß ich. Adam und Coen Osterlamm giften gegen Euch, weil sie Angst davor haben, ihr Vater könnte noch nach seinem Tod ins Gerede kommen. Schließlich waren einige angesehene Bürger im Haus, als Ihr seinen Verrat offenlegtet. Wenn die sich gegen Adam und Coen wenden, wird man sie bald so behandeln wie Euch heute. Und davor fürchten sie sich.»
«Ich hätte das über den Bürgermeister trotzdem nicht sagen sollen», meinte Griet. «Es war taktlos, aber Coen hat mich mit seinen Verdächtigungen herausgefordert.
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