Die Stadt der schwarzen Schwestern
versöhnliches Lächeln. Sie war froh, dass er ihr nichts nachtrug, doch als sie seine gierigen Blicke bemerkte, wünschte sie, sie hätte sich für ihren Besuch im Kontor etwas weniger herausgeputzt. Statt des eintönigen Gewands, das ihr Witwenstand ihr aufzwang, hatte sie heute ein orangenes Kleid aus schwerem Seidendamast gewählt, das ihre schlanke Gestalt vorteilhaft betonte. Ihr Schleier verbarg sittsam das rote Haar, war aber nach französischem Vorbild nicht unter dem Kinn straffgezogen, sondern nur locker um den Hals gewunden. An ihren Händen blitzten zwei goldene Ringe, von denen sie hoffte, dass sie sie nicht zu Geld machen musste. Ging de Lijs auf ihr Angebot ein, so war sie fürs Erste flüssig, dennoch galt es, klug zu wirtschaften.
«Ich kaufe Briefe für meine gesamte Fracht», entschied de Lijs schließlich. «Schickt mir die Dokumente, sobald sie vom Drucker kommen.»
Griet strahlte de Lijs an und versprach vollen Ersatz für seinen Wein, falls die Statthalterin nicht alle Fässer bekommen sollte. Im Vorraum des Kontors ließ sie sich mit klopfendem Herzen den vereinbarten Kaufpreis für den von de Lijs vorab erworbenen Brief auszahlen, berechnete dann sorgfältig den im Schadensfall auszuhändigenden Betrag und quittierte schließlich alles in einem Rechnungsbuch.
«Du hast ihr einen dieser närrischen Briefe abgekauft? Bist du verrückt geworden?»
Adam Osterlamm tobte, als er de Lijs am Nachmittag besuchte und von dessen Vertrag mit Griet hörte. Wütend trat er gegen eines der Fässer im Kontor. Den Becher Wein, den de Lijs’ Handelsknecht ihm einschenkte, übersah er. Coen, der seinen Bruder begleitete, hielt sich mit Anschuldigungen zurück, doch seine Blicke ließen keinen Zweifel daran, dass auch er die Handlungsweise des Kaufmanns missbilligte. Er nahm seinen Becher entgegen, forderte de Lijs’ Gehilfen aber auf, den Raum zu verlassen.
«Hörst du schlecht?», half Adam stirnrunzelnd nach, als sich der junge Mann nicht sogleich in Bewegung setzte. «Verschwinde, Bursche, sonst mache ich dir Beine!»
De Lijs fasste den Sohn des Bürgermeisters scharf ins Auge. «Das ist immer noch mein Haus, junger Freund. Das heißt, ich bestimme, wann meine Bediensteten zu gehen haben.» Er gab seinem Gehilfen einen Wink, woraufhin dieser die Tür von außen schloss.
«Verzeiht die Kühnheit meines Bruders, Meister de Lijs.» Coen Osterlamm stellte den Becher auf de Lijs’ Rechentisch. «Aber waren wir nicht übereingekommen, die Witwe Marx, die mit den Spaniern gemeinsame Sache macht, nicht zu unterstützen? Es sei denn …», er lächelte listig, «Ihr habt Euch vorgenommen, sie zu ruinieren. Dann sähe die Sache natürlich anders aus. Eure Lastkähne müssten nur auf der Schelde kentern, dann wäre Eure gesamte Ladung bei den Fischen, und das Weib müsste zahlen.»
De Lijs schüttelte energisch den Kopf. «Oh nein, das könnt Ihr vergessen, Coen. Ich habe beschlossen, den Handel mit den Sicherheitsbriefen zu unterstützen. Meine Fracht gehört mir und liegt in Gottes Hand. Wenn es ihm gefällt, sie heil nach Namur zu bringen, werde ich im Frühjahr einen neuen Brief kaufen. Falls mein Wein verderben sollte, trägt die Witwe Marx den Schaden. So einfach ist das. Es wird unserer Stadt, vielleicht sogar eines Tages ganz Flandern, Gewinn bringen, ein Gewerbe dieser Art zu haben. Gehört nicht den Mutigen die Welt?»
«Mag sein, dass Ihr recht habt, aber glaubt Ihr nicht, dieses Gewerbe wäre in den Händen eines Mannes besser aufgehoben als in denen eines Weibes?» Coen bewegte spielerisch die Finger seiner rechten Hand. «Eines lahmen Weibes, wohlgemerkt? Mir scheint, Ihr denkt in dieser Angelegenheit nicht mit Eurem Kopf, sondern mit einem ganz anderen Körperteil, de Lijs.»
Der Weinhändler löste verärgert die Schnüre seines steifen Leinenkragens, um sich Luft zu verschaffen; ihm war heiß geworden. Sein Kopf tat ihm weh. Doch obgleich ihm nicht wohl war, fühlte er sich kräftig genug, Coen am Arm zu packen und ihm eine Ohrfeige zu verpassen, die den jungen Mann gegen die Wand schleuderte. Adam ballte die Fäuste.
«Denkt nicht mal daran, sonst zerquetsche ich Euch wie eine reife Pflaume», rief de Lijs ihm zu. «Es bedarf nur eines einzigen Wortes von mir, und die ganze Stadt erfährt vom Verrat Eures Vaters. Ich nehme nicht an, dass dies in Eurem Interesse liegt.»
Adam und Coen wechselten vielsagende Blicke, bevor Letzterer mit einem entwaffnenden Lächeln die Arme hob. Auf
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