Die Stadt der schwarzen Schwestern
Ich glaubte, ich müsste meine Familie beschützen. Ich verstehe Adam besser, als er vielleicht denkt.»
Pieter Rink holte eine Leiter, um den Hohlraum wieder zu verschließen, ehe sein Gehilfe zurückkehrte. Welche Bücher er versteckte, verriet er Griet nicht, und sie wollte es auch gar nicht erfahren. Dass sie unfreiwillig zur Mitwisserin seines Geheimnisses geworden war, schmeichelte ihr einerseits, andererseits machte es sie beklommen. Doch wie die Dinge lagen, konnte sie bei der Herstellung ihrer Sicherheitsbriefe auf Pieters Geschicklichkeit und Einfallsreichtum bauen.
Der Druckermeister stand noch auf der Leiter, als die Tür aufging und Don Luis in die Werkstatt trat.
Griet erschrak. «Ihr?», brachte sie hervor. «Was sucht Ihr denn hier?»
Der Spanier zog seinen Hut und begrüßte zuerst sie, dann den Drucker, der bei Don Luis’ Anblick bleich wurde. Gerade noch rechtzeitig war es ihm gelungen, den verräterischen Hohlraum mit dem Pfropfen zu schließen. Er gab nun vor, lediglich den Haken zu überprüfen, an dem das Seil befestigt war.
Don Luis lächelte. «Nun, ich hatte vor, Euch einen Besuch in Eurem neuen Heim abzustatten, Señora. Dort teilte mir Eure reizende Dienerin mit, Ihr seid ausgegangen, um Druckschriften in Auftrag zu geben. Etwas Geschäftliches, wenn ich fragen darf? Ich hoffe, Ihr habt nicht vergessen, dass der Statthalter uns zu Partnern gemacht hat.»
«Ihr träumt wohl! Wir sind keine Partner, und ich bin durchaus in der Lage, mich selbst um meine Geschäfte zu kümmern. Euch brauche ich dafür gewiss nicht.»
«Aber Ihr braucht das hier.» Don Luis zog ein Stück Papier aus seinem Wams, das er Griet überreichte. Es war das vom Statthalter unterschriebene und gesiegelte Privileg, das Griet benötigte, um unter dem Schutz der Krone tätig zu werden. Griet hatte es völlig vergessen.
Sie errötete, als sie die wenigen Zeilen überflog und feststellen musste, dass Don Luis de Reon darin tatsächlich als Bevollmächtigter und Aufseher ihres Gewerbes erwähnt wurde. Ärgerlicherweise verlieh ihm der Statthalter damit das Recht, sich in ihre Belange einzumischen und seine Nase in jeden Vertragsabschluss zu stecken, den sie künftig vornehmen würde. Vermutlich hegte er ebenso viel Misstrauen gegen sie wie sie gegen ihn. «Seine Gnaden bat mich, Euch noch einmal zu danken, dass Ihr ihm die Alexanderteppiche überlassen habt», sagte Don Luis. Flüchtig blickte er sich um. «Sie scheinen ihm wirklich am Herzen zu liegen. Er hat sie im Haus Cambier aufhängen lassen.»
«Bei mir braucht er sich nicht zu bedanken.» Vorsichtig rollte Griet das kostbare Dokument zusammen. Sie war glücklich, es endlich in Händen zu halten. Ungeachtet der Tatsache, dass es Einschränkungen enthielt und von einem Feind ihres Volkes unterzeichnet worden war, verhieß es ihr doch mehr Unabhängigkeit, als sie bislang in ihrem Leben gekannt hatte. Dennoch zögerte sie, das Dokument in ihrem Lederbeutel zu verstauen. Vermutlich war es im Pförtnerhäuschen nicht sicher. Sie würde Pieter Rink bitten, es in sein Geheimversteck zu legen, sobald Don Luis gegangen war.
«Der Statthalter hat für die Teppiche bezahlt, was er nun mit ihnen anstellt, kümmert mich nicht mehr. Von mir aus kann er Satteldecken für seine Pferde daraus nähen lassen oder sich im Winter die Stiefel damit ausstopfen.»
«Keine Angst, Señora, er wird nichts dergleichen tun», rief Don Luis lachend. «Er verehrt diese Wandbehänge so sehr, dass er sie von seinem Leibburschen bewachen lässt.»
Griet runzelte die Stirn. «Ihr wollt mich verspotten. So kostbar sind die Alexanderteppiche nun auch wieder nicht.»
«Für Euren Gatten mögen sie eine solide Handwerksarbeit gewesen sein und für Euch der Schlüssel zum Erfolg. Aber der Statthalter sieht mehr in ihnen. Ist Euch nicht aufgefallen, was in ihm vorging, als er sie zum ersten Mal im Gewölbekeller Eures Schwiegervaters erblickte?»
«Wie könnte ich das vergessen? Er brüllte mich an und warf mir an den Kopf, ich hätte sie ihm nur gezeigt, um ihn zu kränken.»
Don Luis entfernte ein Staubkorn von seinem schwarzen Wams. Griet fragte sich, warum er sich immer nur in triste Farben kleidete. Ihr als Witwe blieb nichts anderes übrig, doch er war ein Mann und niemandem Rechenschaft schuldig. Außerdem machte ihn das schwarze Tuch blass. Don Luis blickte sie nachdenklich an. «Er scheint zu glauben, dass die Alexanderteppiche ihm Glück bringen. Solange sie unbeschädigt in seinem
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