Die Stadt der schwarzen Schwestern
seiner Wange zeichneten sich die Finger des Weinhändlers rot ab. «Nun kommt schon, de Lijs. Versteht Ihr keinen Spaß mehr? Ich weiß, dass Euer Wort bei den Kaufleuten Gewicht hat, nicht nur in Eurer eigenen Gilde. Daher entschuldige ich mich bei Euch für meine kühnen Worte. Ich war hitzköpfig. Aber überlegt trotzdem einmal, ob es für Oudenaarde nicht gut wäre, die Geschäfte der Witwe Marx in erfahrenere Hände zu legen, bevor sie sie gleich ruiniert. Sie ist fremd, besitzt keinerlei Erfahrung. Die Teppichmanufaktur hat ihr Mann geleitet, nicht sie. Also, woher soll sie sich mit diesen Dingen auskennen?»
«Aber sie besitzt ein königliches Privileg», brummte de Lijs. «Pieter Rink hat es gesehen.»
«Fragt sich nur, wie lange sie sich dieses Privilegs erfreuen kann!»
«Wollt Ihr schon wieder davon anfangen? Spart Euch Euren Atem, denn ich werde Euch nicht mehr zuhören.» De Lijs runzelte die Stirn, konnte jedoch nicht umhin, zuzugeben, dass Coens Worte ihn nachdenklich gestimmt hatten. Griet war eine entschlossene Frau, die nicht nur Mut hatte, sondern auch bereit war, über ihren Schatten zu springen. Gewiss war es ihr nicht leichtgefallen, ihn um sein Vertrauen zu bitten. Aber sie hatte es getan. Er würde ihr mit seiner Erfahrung zur Seite stehen, wenn sie noch einmal zu ihm kam. Pieter Rink würde sie ebenfalls beraten. Doch genügte das, um ein so wichtiges Gewerbe auszuüben? Es ging dabei schließlich um mehr als um den Verkauf von Eiern und Speck auf dem Markt.
Nachdem Adam und Coen gegangen waren, setzte sich de Lijs an seinen Rechentisch. Er starrte aus dem Fenster zur Schelde hinunter, wo soeben die letzten Fässer seiner Fracht mit einem hölzernen Kran auf einen der Lastkähne gehievt wurden.
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Kapitel 11
In den nächsten Tagen klopfte es nach und nach häufiger an der Tür des Pförtnerhäuschens. Es hatte sich in der Stadt herumgesprochen, womit Griet handelte, und dank der Fürsprache de Lijs’ und Pieter Rinks, der mit seinen Briefen erstklassige Arbeit geliefert hatte, konnte Griet erste Erfolge verbuchen. Ein Handschuhmacher aus der Nederstraat, dessen Werkstatt an eine Nagelschmiede grenzte, machte den Anfang. Er lebte in ständiger Furcht, von der Schmiede könnten Funken auf sein Haus überspringen und das trockene Flechtwerk seines Daches in Brand setzen. Er berichtete, er habe überall um seinen Werktisch Wassereimer aufgestellt, doch die Feuchtigkeit schade seinen Knochen, daher habe sein Weib ihn zu ihr geschickt. Sollte der Schmied, der oft betrunken draufloshämmere, eines Tages sein Häuschen in Asche legen, so wolle er nicht als Bettler auf der Gasse enden, sondern sich in der Nähe der Schelde ansiedeln. Dort, wo es genügend Löschwasser gab.
Auch andere Handwerker, Walker, Gewandschneider und Putzmacher fanden sich bei ihr ein und erwarben Sicherheitsbriefe. Sie alle kannten de Lijs, waren mit ihm verwandt, befreundet oder standen in seiner Schuld. Obwohl Griet jedem Kunden zu verstehen gab, dass das königliche Privileg des Statthalters ihr nicht die Macht verlieh, Brände, Überfälle, Krankheit oder andere Katastrophen zu verhindern, schienen einige doch zu glauben, mit den Briefen gleichzeitig auch ein gewisses Anrecht auf Schutz in den Händen zu halten. Insbesondere da das Gerücht die Runde machte, die Zurückhaltung, die den spanischen Besatzungssoldaten auferlegt worden war, sei Griets angeblichem Einfluss auf den Statthalter zu verdanken. Da sie ihren Handel zudem in einem Haus eingerichtet hatte, das einst von frommen Frauen bewohnt worden war, begann die Stimmung in den Gassen von Oudenaarde allmählich zu ihren Gunsten umzuschlagen. Bald suchten sie nicht nur kleine Krämer und Handwerker auf, sondern auch Angehörige vornehmer Familien.
Eines Tages, Griet hatte eben erst das Tor geöffnet und die Hühner, die regelmäßig vom Hof des Nachbarhauses durch ein Loch in der Mauer schlüpften, hinaus auf die Gasse gejagt, stand Pamela, Adam Osterlamms Schwester, vor ihrer Tür. Die junge Frau ließ sich von einer Magd begleiten und lächelte verlegen, als Griet sie in die Halle führte.
«Wie finster es hier ist», flüsterte die Tochter des Bürgermeisters und zog das Tuch, das sie sich um die Schultern gebunden hatte, enger. Sie ließ ihre Augen durch den Eingangsbereich des ehemaligen Klostergebäudes schweifen, in dem sich seit Griets erstem Erkundungsgang nur wenig verändert hatte. Beelken hatte den zerkratzten roten
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