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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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zurückkehren.
    Nicht wegen der Frau, nicht deshalb, sagte er zu sich selbst. Aber er spürte, dass es in der Stadt an der Schelde noch mehr gab als nur seinen Auftrag. Unterdessen stieg er die breite Treppe hinauf, die zu den Privatgemächern der Fürstin führte.
    «Ich weiß nicht recht, was ich mit Eurem Bericht anfangen soll, mein Lieber», sagte Fürstin Margarethe, die offizielle Generalstatthalterin der Niederlande. Sie warf das Pergament, das ihr Don Luis ausgehändigt und in das sie sich vertieft hatte, auf einen Tisch und sah ihn mit ernster Miene an. Margarethe von Parma ging auf ihr sechzigstes Lebensjahr zu, wirkte aber keineswegs greisenhaft. Sie hatte während der Jahre, die sie in Italien zugebracht hatte, an Gewicht zugenommen, weswegen sie nur noch selten ein Pferd bestieg. Aber sie ging nicht gebeugt. Ihr kantiges Gesicht wurde von einem Paar lebhafter dunkler Augen bestimmt, deren Glanz den Mangel an Liebreiz wettmachte. Margarethe von Parma, die als illegitime Tochter Kaiser Karls IV., aber ohne Mutter in Brüssel aufgewachsen war, gab ohnehin nicht viel auf höfisches Gebaren. Prunkvolle Roben, Juwelen und Duftwässerchen hatten sie schon als Mädchen gelangweilt. Margarethes große Leidenschaft galt der Jagd und der Musik. Hier, in Namur, schien sie sich nur noch einem Zeitvertreib hinzugeben, dem Lautenspiel. Tatsächlich entdeckte Don Luis das Instrument, das Margarethe in jeder freien Minute zur Hand nahm, auf einem Stapel von Notenblättern. Da die Fürstin ihn nicht so früh erwartet hatte, trug sie keine für offizielle Empfänge passende Kleidung, sondern ein schlichtes Kleid aus dunkelgrünem Wollstoff, das ihren rundlichen Bauch aber schlanker aussehen ließ. Auf dem sorgfältig frisierten Silberhaar thronte ein luftiger Schleier.
    «Pater Jakobus teilte mir mit, dass Ihr mich in Namur zu sprechen wünscht», erwiderte Don Luis ausweichend, obwohl er wusste, dass die Fürstin gern gleich auf den Punkt kam. «Ich hielt es für meine Pflicht, Euch mitzuteilen, wie es um diese Familie in Oudenaarde bestellt ist.»
    Margarethe stemmte die Hände in die Hüften. «Nun, das habt Ihr getan, aber ich bin nicht zufrieden mit der Entwicklung dieser Geschichte. Beileibe nicht.» Sie machte einen Schritt auf Don Luis zu. «Ich wollte, dass Ihr die Leute aus der Stadt schafft, die mein Sohn erobert hat, zu mir nach Namur. Was war daran so schwer zu verstehen, junger Mann? Nun sind die alten Teppichwirker in Antwerpen, die junge Frau handelt mit irgendwelchen Ablassbriefen, und zu allem Überfluss taucht nun auch noch ihr Vater aus Brüssel auf.» Sie schüttelte heftig den Kopf. «Nein, Don Luis, das gefällt mir nicht. Es bereitet mir Sorgen, weil ich meinen Sohn kenne. Fühlt er sich bedroht, wird er alles unter seinen Füßen zermalmen wie ein Stier. Nicht einmal vor mir wird er haltmachen. Seht Euch hier um. Es geht mir in der Burg von Namur nicht schlecht. Ein Heer von Bediensteten müht sich damit ab, mir das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Ich habe meine geliebte Musik, und ich kann Briefe schreiben. Gestern verfasste ich wieder einen an meinen Halbbruder in Spanien. Ihr kennt Philipp, nicht wahr?»
    Don Luis nickte, obwohl er sich nicht mehr besonders gut an den König erinnern konnte. Es war schon lange her, dass sein Vater ihn mit an den spanischen Hof genommen hatte, um ihn dort vorzustellen. Der König hatte ihm nur flüchtig übers Haar gestrichen und bemerkt, dass es zu hell sei für einen richtigen spanischen Jungen. Dann hatte ein Kapuzinermönch mit gütigen Augen, der im Thronsaal gewartet hatte, ihn an die Hand genommen und hinausgeführt. Die restliche Erinnerung war verschwommen.
    «Mein Halbbruder hat mir in Aussicht gestellt, dass ich endlich nach Italien zurückkehren darf.» Margarethe lachte bitter auf. «Plötzlich ist er geneigt, mich anzuhören, nach all den Monaten. Er hätte keinen ungünstigeren Moment auswählen können.»
    Don Luis stimmte der Fürstin zu. Um mit seiner Mission erfolgreich zu sein, war er auf zwei Faktoren angewiesen: Der Statthalter musste ihm auch weiterhin sein Vertrauen schenken, und er brauchte die Unterstützung der Fürstin. Wenn sie nach Parma ging, war er auf sich allein gestellt.
    Während er noch grübelte, teilte ein Kammerdiener seiner Herrin mit, dass ein weiterer Besucher im Palast angekommen sei. Margarethe befahl dem Mann, diesen noch ein wenig warten zu lassen.
    «Ihr habt Euch schriftlich nach den schwarzen Schwestern

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