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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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der Suche nach Basse helfen», schluchzte Beelken gerührt. «Die Frau, mit der ich eben sprach, wohnt ein Stück weiter die Gasse hinauf. Ihr Hausknecht, der verrückte Tyll, hockt abends immer auf dem Rand der Pferdetränke und spielt Sackpfeife. Dann rennen die Kinder zu ihm, und er schenkt ihnen Vogelfedern.»
    Griet fasste Beelken aufgeregt am Handgelenk. «Hat er Basse gesehen?»
    «Nein, den nicht. Aber Euren Vater. Er erinnert sich, weil Herr Sinter wohl im Vorbeigehen eine von Tylls hübschesten Federn mitgenommen und sich ans Barett gesteckt hat. Tyll war wütend und hat ihm hinterhergeschimpft. Aber der Knecht behauptet, Euer Vater sei allein gewesen, und Gepäck habe er auch nicht dabeigehabt.»
    Griet stöhnte enttäuscht auf. Sie musste sich allein auf die Suche machen. Nicht nach Sinter, mochte der bleiben, wo der Pfeffer wuchs. Es ging um Basse, nur um Basse. Nie würde Griet es sich verzeihen, wenn ihrem kleinen Jungen etwas zustieß, nur weil sie ihren Geschäften nachgegangen war, anstatt sich um ihn zu kümmern, wie es einer Mutter zukam. Laut seinen Namen rufend, lief sie die Straße hinauf, schaute unterwegs in jede Tonne, stieg jeden Kellerabgang hinunter und spähte durch Fenster in Stuben, bis man ihr mit wütenden Blicken den Laden vor die Nase schlug. Was sollte sie noch tun? Bald war es dunkel, dann würde man in der Stadt die Hand vor den Augen nicht mehr sehen. Griet wandte den Kopf, ihre Blicke suchten den Rathausturm. Sie hatte gehört, dass der Statthalter im Begriff stand, Oudenaarde zu verlassen. Doch so viel sie von Pieter Rink wusste, hielt er sich noch in seinem Quartier auf. Griet überlegte, ob sie es wagen durfte, Alessandro Farnese um Hilfe zu bitten. Sie hatte sich einmal geschworen, keinen Kniefall vor ihm zu machen, doch wenn er seine Soldaten ausschwärmen ließ, um nach Basse zu suchen, würde sie sogar mehr als das tun. Ohne länger darüber nachzudenken, raffte Griet ihren Rock und machte kehrt. Sie musste zum Grote Markt.
    Sie schlug die Gasse der Knochenhauer ein und hastete am verfallenen Gemäuer der alten Ölmühle vorbei, deren hölzerne Flügel im Wind knarzten. Am Ende der Gasse stieß sie unversehens auf einen Menschenauflauf. Männer und Frauen drängten sich mit Lampen und Stangen um die Dunggrube eines Schlachters, die, von Brettern eingeschalt, fast die gesamte Breite der Gasse einnahm. Sie bestand aus einem aus Ziegelsteinen gemauerten Schacht, der tief in den Boden hinabreichte und für gewöhnlich mit einem Holzdeckel verschlossen wurde. Dieser lag nun mitten auf dem Weg, sodass der Gestank, welcher der Grube entstieg, sich ungehindert ausbreiten konnte. Griet hielt den Atem an, um die verpestete Luft nicht einatmen zu müssen, dennoch wurde ihr übel. Sie wollte sich gerade durch das Gedränge schieben, als ihr Blick auf einen Mann fiel, der aus dem Haus mit dem Schweinekopf über dem Türbalken kam und zunächst auf die Menge vor seinem Tor, dann auf die spanischen Soldaten einredete. Von dem Getöse aufgeschreckt, gingen die Soldaten daran, die Leute von der Gasse zu scheuchen. Der Mann beteuerte, seit Stunden im Haus Würste gestopft zu haben und nicht zu wissen, was abgesehen von Abfällen dort unten in seiner Grube schwamm.
    Die Spanier machten ratlose Gesichter; sie verstanden kein Wort von dem Geplapper des Schlachters, daher schoben sie ihn rasch zur Seite und begannen, die Menschentraube vor dem Loch aufzulösen. Nur die beiden Männer, die mit langen Stangen in der stinkenden Grube stocherten, und eine weißhaarige Frau, die eine Laterne trug, ließen sie in Ruhe.
    Griet fasste sich ein Herz und ging auf einen der Spanier zu, der neugierig zusah, wie sich die Männer vor der Dunggrube abmühten. Sie wollte ihn gerade bitten, sie zum Haus des Statthalters zu führen, als die Weißhaarige mit der Laterne aufkreischte. Inmitten des Unrats tauchten Stofffetzen auf, die einmal zu einem Kleidungsstück gehört hatten. «Ich hab’s doch gleich gesagt», jammerte das Weib. «Nun seht ihr es mit eigenen Augen! Da ist einer im Dung versunken. Der Knochenhauer hat seine Grube nicht ordentlich verschlossen, und jetzt …»
    «Halt den Mund», brüllte der Schlachter erbost. «Die Grube ist immer verriegelt. Sie wird nur geöffnet, wenn ich nach dem Schlachten Abfälle entsorge. Und ich lasse sie regelmäßig reinigen. Mindestens einmal im Jahr.»
    Einer der Männer zog mit seiner Stange das verschmutzte Stück Tuch aus dem Matsch und schwenkte es über

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