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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Füßen rauschte die Schelde. Inzwischen war es bitter kalt geworden. Obwohl es nicht mehr schneite, lag das flache Land vor dem Stadttor an diesem frühen Morgen wie erstarrt vor ihr. Nirgendwo regte sich auch nur eine Spur von Leben. Griet hielt das Wolltuch fest, damit der eisige Wind es ihr nicht vom Kopf riss. Don Luis und ihr Vater waren mit ihr vors Tor gekommen, doch keiner der beiden Männer fand ein tröstendes Wort.
    «Vielleicht wurden sie nur aufgehalten», versuchte Sinter es dennoch. «Ich kam auch nicht so schnell voran wie erhofft, als ich Brüssel verließ. Und ich bin keine Nonne, der vom vielen Knien und Buckeln die Knochen wehtun.»
    Griet seufzte. Ihr Vater meinte es ja gut, aber selbst er musste einsehen, dass fünf Tage Verspätung Anlass zur Sorge gaben. Vor fünf Tagen spätestens hätten die schwarzen Schwestern in Oudenaarde eintreffen sollen. Als ihr Wagen am Abend nicht in Sicht war, hatte sich Griet noch nichts dabei gedacht. Nicht einmal, als der folgende Tag ebenfalls verstrich, ohne dass die Türmer die Ankunft Fremder verkündeten. Sicher kam ihr Reisewagen nur langsam voran, da es geregnet hatte. Die Wege, die durch waldreiche, hügelige Gegenden führten, waren aufgeweicht und schlammig. Vielleicht waren die Räder ihres Gefährts im Morast stecken geblieben. Es war ebenfalls möglich, dass jemand krank geworden war und die Nonnen daher beschlossen hatten, unterwegs eine längere Rast in einem Dorf einzulegen. Aber in diesem Fall hätten sie einen Boten in die Stadt geschickt; wozu hatte die Fürstin ihnen bewaffnete Männer und Wagenknechte mitgegeben?
    Es war aber keine Nachricht gekommen. Die schwarzen Schwestern ließen auf sich warten, und Griet wurde von Stunde zu Stunde unruhiger.
    «Wir sollten zurückgehen, Tochter», meinte Sinter, der wenig Sinn darin sah, hier draußen auf der Brücke zu frieren, während Griet über die Hügel schaute. Mancherorts gab es dort noch Spuren der feindlichen Belagerung, erloschene Feuerstellen, Seile und zerbrochene Leitern. Ein Stück weiter westlich ließ sich durch die frühmorgendlichen Nebelschwaden der Galgenhügel ausmachen.
    «Wir werden uns an den Statthalter wenden», schlug Don Luis vor.
    «Ohne mich», widersprach Griets Vater.
    Griet warf einen letzten hoffnungsvollen Blick über das waldreiche Umland. In der Ferne glaubte sie einen dunklen Flecken zu sehen, der sich mit einigem Tempo auf die Stadt zubewegte. Doch zu ihrer Enttäuschung waren es nur zwei spanische Reiter, die als Späher unterwegs gewesen waren und nun nach Oudenaarde zurückkehrten. Stürmisch preschten die Männer auf die Brücke zu. Don Luis stellte sich ihnen in den Weg, worauf die beiden ihre Pferde zügelten. Er wechselte ein paar Worte mit ihnen, bevor er sich mit betrübter Miene wieder Griet und Sinter zuwandte.
    «Ich habe sie gefragt, ob sie unterwegs einen Reisewagen überholt hätten. Leider konnten sie mir nicht weiterhelfen. Aber das ist auch nicht verwunderlich, sie kamen aus südlicher Richtung.» Er berührte Griet vorsichtig an der Schulter. «Hört mir zu, Farnese wird ein paar seiner Soldaten losschicken, die werden Eure Klosterschwestern schon finden. Wenn es Euch beruhigt, werde ich selber mit ihnen reiten.»
    «Das ist doch mal ein guter Vorschlag!» Sinter klopfte Don Luis auf den Rücken. «Für einen Spanier kümmert Ihr Euch geradezu rührend um meine Tochter, lieber Freund.»
    Don Luis errötete. Einen Herzschlag lang glaubte Griet, in den Augen des jungen Mannes einen Ausdruck von Furcht zu erkennen, aber vermutlich irrte sie sich. Sie nickte müde. «Also schön, Don Luis. Diesmal bleibt mir wohl keine andere Wahl, als Farnese aufzusuchen. Vielleicht erfreut er sich ja gerade am Anblick meiner Alexanderteppiche und ist daher gut gelaunt.»

    Alessandro Farnese war an diesem Morgen alles andere als gut gelaunt. Als Griet in Don Luis’ Begleitung sein Quartier betrat, studierte er einen Brief des Königs, der ihm zu missfallen schien. Mürrisch blickte er von seinem Platz am Kaminfeuer auf. Griet erschrak, als sie sah, wie bleich und erschöpft der Statthalter aussah. Sein Haar hatte schon lange kein Barbiermesser mehr gesehen, auch seine Kleidung wirkte nachlässig.
    «Was sucht die Frau denn schon wieder hier?», fauchte Farnese Don Luis an. «Will sie mir das nächste gute Geschäft vorschlagen?»
    Don Luis zog sein Barett. «Verzeiht, Euer Gnaden, aber es geht um das Privileg, das Ihr der Witwe Marx ausgestellt habt.»
    «Was

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