Die Stadt der schwarzen Schwestern
die Straßen und Pfade abzusuchen.»
«Das ist sehr großzügig von Euch, mein Lieber», sagte Sinter erfreut. «Trotz Eures schweren Verlusts seid Ihr so gütig zu meiner Tochter. Ich hoffe, sie kann es Euch einmal vergelten.»
Wenn es nach Vater und de Lijs geht, bestimmt sogar, dachte Griet. Sie war zwar immer noch froh, dass sie nicht allein mit de Lijs im Raum war, wünschte sich aber auch, ihr Vater würde endlich den Mund halten und sie nicht angrinsen, als wäre sie schon die Braut des Weinhändlers. Das würde sie niemals sein. Allmählich erwachte in ihr ein schockierender Verdacht. Der Tod der Weinhändlerfrau war überraschend gekommen, unerwartet. Gewiss, so etwas kam natürlich jeden Tag irgendwo vor. Doch ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da de Lijs seine Leidenschaft für sie entdeckt hatte? Griets tauber Arm begann zu zucken.
«Bemüht Euch bitte nicht», sagte Griet. «Ich war beim Statthalter. Er ist sehr besorgt über das Ausbleiben der Klosterfrauen und lässt Don Luis Nachforschungen anstellen.»
De Lijs runzelte die Stirn. «Don Luis de Reon? Dieser junge Spanier drängt sich mächtig in Eurer Leben.»
«So ist es», sagte Griets Vater. «Das habe ich meiner Tochter auch schon gesagt. Dieser Bursche drückt sich zu oft bei uns herum. Das ist nicht gut. Man sollte ihm Einhalt gebieten.»
«Vater!»
«Warum so aufbrausend, mein Kind? Ich meine es nur gut mit dir. Willst du, dass die Leute schon wieder über dich klatschen, weil du dich so oft mit diesem Don Luis herumtreibst? Vergiss nicht, dass er als Spanier ein Feind unseres Volkes ist.»
«Ach, auf einmal? Vielleicht sollte ihm das mal jemand deutlich vor Augen führen», brummte de Lijs. Sein Blick verriet Griet, dass er voller Eifersucht war. Sinter hingegen deutete die Bemerkung als Beweis seiner Sorge um Griets guten Ruf und fühlte sich geschmeichelt.
Griet wollte gerade zu einer Bemerkung ansetzen, als die Tür aufging und der Drucker Rink ins Kontor trat. Er sah blass und bestürzt aus.
«Ich kam so schnell ich konnte. Ist es denn wahr?»
«Jawohl, es ist wahr», knurrte der Weinhändler. «Sie liegt drüben in der Stube aufgebahrt. Pater Jakobus und das Totenweib sind bei ihr, solange ich hier zu tun habe.»
Pieter Rink nickte verständnisvoll, dann wandte er sich Griet zu. «Und wie geht es Euch, meine Liebe? Wie man hört, habt auch Ihr in diesen Tagen einigen Kummer.»
Griet atmete geräuschvoll aus. Sie mochte den Druckermeister; er gehörte zu den wenigen Menschen in Oudenaarde, die ihr mit Respekt begegneten und sie nicht wie ein kleines Kind behandelten. Dennoch hatte sie genug davon, angesehen zu werden, als wäre sie schon auf halbem Wege ins Armenhaus. Weder de Lijs noch Rink und ihr Vater hatten eine Erklärung dafür, warum die schwarzen Schwestern ihr Ziel nicht erreicht hatten. Sie misstrauten Don Luis aus verschiedenen Gründen.
Es blieb ihr keine andere Wahl, als selbst nachzuforschen.
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Kapitel 16
Am nächsten Morgen nahm Sinter sich Don Luis vor, kaum dass dieser die Stube betreten hatte. Derb schüttelte er den jungen Spanier an der Schulter. «Redet ihr das gefälligst wieder aus», brüllte er ihn an.
«Gern, wenn Ihr mir verratet, worum es geht?»
Sinter warf Griet, die schweigend einen Wäschebeutel füllte, einen missmutigen Blick zu. «Ich rede davon, dass meine verwitwete Tochter es sich in den Kopf gesetzt hat, Euch bei der Suche nach diesen verflixten Nonnen zu helfen. Sie will Euch hinaus in die Ardennen begleiten. Zu dieser Jahreszeit. Das geht nicht, das ist absolut unmöglich. Griet wird hier gebraucht. Sie hat einen kleinen Jungen.»
«Der keine Zukunft in Oudenaarde hat, wenn das Geschäft seiner Mutter ruiniert ist», gab Griet zu bedenken. Sie packte ungerührt weiter.
Sinter winkte ab. «Ach was, da gäbe es doch auch noch andere Möglichkeiten. Du musst nicht arbeiten wie ein Waschweib. De Lijs hat dir seine Hilfe angeboten. Ich begreife nicht, wie du sie ablehnen konntest, um stattdessen nun mit diesem … diesem Herrn hier in die Berge zu reiten. Dass du dich nicht schämst!»
Don Luis war überrascht. Hatte Griet wirklich vor, mit ihm zu kommen? So sehr er sich darüber freute, das konnte er nicht zulassen. Ihr Vater hatte vollkommen recht, in den Ardennen lauerten Gefahren. «Ihr solltet mir die Nachforschungen überlassen», sagte er. «Glaubt mir, ich habe im Auftrag des Statthalters schon so manchen Kerl aufgespürt, der verlorengegangen war. Ich
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