Die Stadt der schwarzen Schwestern
hauptsächlich Frauen und Kinder, starrten ihn und Griet an, schienen sich aber nicht vor ihnen zu fürchten. Weshalb auch? Sie sahen aus wie ein gewöhnliches Händlerpaar, obwohl sie keine Waren mit sich führten.
Das Dorf bestand aus zwei schmalen Straßen, die an ihrem Mittelpunkt ein Kreuz bildeten. Die Bauernhäuser, die sich verschachtelt am Weg aufreihten, waren klein und windschief. Einige größere Gebäude waren mit Fachwerkbalken durchzogen. Alle verfügten jedoch über Gärten, die zum größten Teil nicht umzäunt, sondern lediglich mit Hecken, Sträuchern und Buschwerk eingefasst waren. Die Einwohner von Horebeke schienen in trauter Nachbarschaft miteinander zu leben. Am Ende der Dorfstraße erhob sich ein aus Feldstein gemauertes Kirchlein, das zwar über keinen Glockenturm, doch dafür über einen schmucken Dachreiter verfügte. Zu Griets Bedauern machte keines der Bauernhäuser den Eindruck, als beherbergte es ein Gasthaus. So waren sie und Don Luis vermutlich wieder gezwungen, die Nacht in einer Scheune zu verbringen. Sie blickte in den grau verhangenen Himmel hinauf und hoffte inständig, dass wenigstens der Nieselregen bis zum Abend aufhören würde.
«Lasst uns rasch jemanden nach den schwarzen Schwestern fragen», drängte sie Don Luis, der ihren Karren unter einem kahlen Lindenbaum mitten auf dem Dorfanger abstellte. «Dann können wir uns nach einem Quartier für die Nacht umschauen.»
«Wir sollten das langsam angehen lassen. Nur nichts überstürzen. Wenn wir mit der Tür ins Haus fallen, werden die guten Leute argwöhnisch.»
Griet blickte sich um. Es waren nicht mehr viele Menschen auf der Gasse, die argwöhnisch hätten werden können. Hinter ihr schlug jemand geräuschvoll einen Fensterladen zu. In der Nähe fauchten sich zwei Katzen an.
«Schön, aber wen sollen wir denn nun fragen?»
Don Luis deutete auf die Kirche. «Geistliche erweisen sich meistens als gesprächig. Sie sind zu oft allein, haben keine Familie. Dort sollten wir es zuerst versuchen.»
Doch Don Luis irrte. Möglicherweise hätte der Dorfpriester ihnen helfen können, aber es gab keinen. Die Kirche war ebenso verlassen wie das kleine Pfarrhaus, das versteckt direkt dahinterlag. Das Haus stand inmitten eines Gärtchens mit Obstbäumen, das noch verwilderter aussah als das Grundstück der schwarzen Schwestern in Oudenaarde. Vermutlich wohnte hier schon lange niemand mehr.
«Was habt ihr hier zu suchen?», hörte Griet plötzlich eine Stimme hinter sich. Erschrocken drehte sie sich um. Unbemerkt hatte ein hochgewachsener junger Mann, dem trotz seiner Jugend schon ein dichter Vollbart wuchs, den Garten betreten. Das braune Haar trug er lang, über der Stirn gescheitelt und im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden. Begleitet wurde er von einem Prachtexemplar von Hirtenhund, der allerdings keinen Laut von sich gab. Vermutlich wartete das Tier erst den Befehl seines Herrn ab, bevor es sich auf sie stürzte und sie zerfleischte.
«Wir mögen hier keine Fremden», sagte der junge Mann gefährlich leise. «Ihr seht zwar aus wie Krämervolk, aber zu verkaufen habt ihr nichts. Ich habe in euren Karren geschaut. Also seht zu, dass ihr aus unserem Dorf verschwindet. Es gibt hier nichts für euch!»
«Darf ich fragen, wem wir diesen guten Rat verdanken?», fragte Don Luis liebenswürdig. Er tat so, als gäbe es den schwarzen Hund an der Seite des Mannes gar nicht.
«Ich bin Jan Kollinck, der Sohn des Dorfältesten, wenn ihr es unbedingt wissen wollt. Und der Bursche, der euch gleich die Gurgel aufreißen wird, heißt Arro. Solange mein Vater nicht im Dorf ist, sorgen wir beide hier für Ruhe und Ordnung.»
«Ich bin überzeugt davon, dass ihr das sehr gut macht.» Don Luis lächelte. «Gewiss ist dein Vater stolz auf dich. Weißt du, wir haben uns soeben gefragt, warum die Kirche verlassen ist. Wo steckt der Priester?»
Jan Kollinck schüttelte den Kopf. «Ist keiner mehr da. Hat längst das Weite gesucht. Wie die meisten Dorfbewohner auch. Gleich, als die Spanier kamen. Nur wenige sind geblieben.»
«Verstehe.»
«So?» Der junge Mann verzog verächtlich das Gesicht. «Das glaube ich kaum. Verschwindet jetzt endlich, bevor ich Arro loslasse.»
«Wir haben euch doch gar nichts getan», versuchte nun Griet ihr Glück. Der Hund machte ihr Angst, aber die Aussicht, die Nacht draußen im Wald zu verbringen, war ganz und gar nicht verlockend. «Wir kommen aus Oudenaarde und suchen sieben Frauen, die während ihrer Reise
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