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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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durch die Ardennen spurlos verschwunden sind. Ein Bauer riet uns, nach Horebeke zu reiten, weil man uns hier vielleicht weiterhelfen könnte.»
    Der junge Mann wirkte überrascht. Er blickte hinüber zur Kirchentür, die Don Luis nicht geschlossen hatte und die nun, von einem Lüftchen bewegt, in den Angeln quietschte. «Ich weiß nichts von euren Nonnen», sagte er leise, aber weniger schroff. «Seit Titelmans hier umging, verlassen wir unser Dorf kaum noch. Wie sollten wir euch da helfen können?»
    «Ein Gasthaus habt ihr hier wohl auch nicht», sagte Griet müde. «Wir sind durchnässt und hungrig.»
    Wieder zögerte der Sohn des Dorfältesten, bevor er sich schließlich mit einem Seufzen dazu durchrang, Griet und Don Luis ein Nachtlager anzubieten. «Ihr könnt bei uns schlafen», verkündete er ein wenig gönnerhaft. «Da behalte ich euch wenigstens im Auge. Meiner Mutter wird es recht sein, seit sie erblindet ist, hat sie nicht mehr viel Abwechslung. Aber lasst euch nicht einfallen, sie auszuhorchen, sonst jagt Arro euch doch noch hinaus.» Er tätschelte dem großen Hund den Rücken.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 17
    Don Luis und Griet blieben bei ihrer verabredeten Geschichte. Er nannte sich Floris, sie war seine Frau, und sie nahmen die Reise durch die Ardennen auf sich, um nach sieben Frauen zu suchen, mit denen sie angeblich Geschäfte gemacht hatten, die nun aber während einer Reise durch die Wälder verschwunden waren.
    Die Frau des Dorfältesten hieß Isolda, im Gegensatz zu ihrem Sohn freute sie sich tatsächlich über die unerwarteten Gäste. Die Familie besaß das größte und ansehnlichste Haus im Dorf, das inmitten eines ummauerten Hofes ein wenig abseits der Straße stand. Von dem Hof führte ein kleiner Weg zur Mühle, die ebenfalls den Kollincks gehörte. Isolda brauchte Griet nicht zu berühren, um zu wissen, dass deren Kleider nass geworden waren. Ihre feine Nase verriet es ihr. Sogleich rief sie eine Magd herbei und wies sie an, für ihre Gäste trockene Sachen herauszulegen. Dann ließ sie den langen Eichentisch in der gutgeheizten Stube decken, an dem Gesinde und Familie gemeinsam ihre Mahlzeiten einnahmen. Nach dem Gebet, das die Hausherrin sprach, machte ein Krug mit heißem Kräuterbier die Runde, aus dem jeder trinken musste. Anschließend tischte Isoldas Magd einen würzigen Eintopf auf, dazu Brot und fette Würste aus der Räucherkammer. Griet ließ es sich schmecken; es störte sie nicht, dass sie auf ihrer Bank zwischen Don Luis und Jan wie eingekeilt saß. So wurde ihr nach den Stunden im Wald wenigstens wieder richtig warm.
    Das Essen wurde von ihren Gastgebern weitgehend schweigend eingenommen. Jan hing seinen Gedanken nach, seine Mutter war damit beschäftigt, alle Anwesenden satt zu kriegen. Nur Don Luis’ Mundwerk stand nicht still. Er malte eine erfundene Geschichte über eine frühere Handelsreise nach Frankreich aus, was unterhaltsam klingen sollte, den Leuten am Tisch jedoch nur ein Achselzucken entlockte. Schließlich gab er es auf und wartete, bis die Müllerin mit einem Klatschen in die Hände die Mahlzeit für beendet erklärte.
    «Mein Sohn hat mir gesagt, weshalb ihr nach Horebeke gekommen seid», begann die Blinde, nachdem die Magd den Tisch abgeräumt und sich zurückgezogen hatte. «Leider sind die Wege, die durch die Wälder führen, nicht sicher. Mein Mann und einige unserer Nachbarn sind heute früh aufgebrochen, um einen Wolf zu erlegen, der ganz in der Nähe des Dorfes gesehen wurde. Sie sind noch nicht zurückgekehrt. Über verschwundene Frauen wissen wir aber nichts. Das müsst Ihr meinem Sohn glauben.»
    «Warum sollte uns der Bauer in die Irre geschickt haben?» Don Luis schob die langen Ärmel des Kittels, den die Magd ihm gegeben hatte, über die Handgelenke zurück. «Er hätte gar nichts sagen müssen.»
    Isolda lächelte. Sie war eine hübsche Frau mittleren Alters, deren rundliches Gesicht keine Falten aufwies. Ihre leeren Augen wirkten auf Griet wie frisches, kristallklares Wasser aus einem See. Es erschien seltsam, dass sie ebenso nutzlos sein sollten wie Griets tauber Arm. Sie spürte, dass sie die Müllerin mochte.
    «Der Mann wollte mehr Geld. Er hätte Euch nach Paris geschickt, um es zu bekommen.» Sie dachte einen Moment lang nach, wobei sie mit den Fingerspitzen kleine Kreise auf den Tisch malte. «Vielleicht hat er auch Gerüchte über uns gehört. Horebeke ist kein Dorf wie jedes andere. Wir mussten unter der Inquisition leiden,

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