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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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graute, würde es noch eine Weile dauern.
    Es war ein unerhörtes Wagnis, weiterzugehen, Griet wusste das. Aber wollte sie etwas über das Schicksal der Nonnen herausfinden, durfte sie sich jetzt nicht entmutigen lassen. Natürlich war Jan längst verschwunden, als sie die ersten Bäume erreichten. Griet blickte zurück und sah nun, dass im Haus des Müllers Licht brannte. Eine der Hausmägde musste aufgestanden sein, um das Herdfeuer zu entfachen.
    «Ich glaube nicht, dass Jan weit in den Wald hineingelaufen ist», sagte Don Luis. «Gewiss hat er vor, noch vor Sonnenaufgang wieder im Dorf zu sein, um uns nicht misstrauisch zu machen.»
    «Es ist zwecklos», meinte Griet niedergeschlagen. «Man sieht die Hand vor Augen nicht. Wir wissen nicht mal, in welche Himmelsrichtung er sich gewandt hat.»
    Don Luis überlegte, während seine Blicke sich starr auf den Boden unter seinen Füßen hefteten. «Jans Vater und die anderen angeblichen Wolfsjäger übernachten bei diesem Wetter bestimmt nicht unter freiem Himmel. Sie müssen einen Unterschlupf haben, irgendein … verdammt, was …»
    Er konnte seinen Satz nicht mehr beenden, denn plötzlich wurden ihm die Beine unter dem Körper fortgerissen. Er ruderte verzweifelt mit den Armen, um nicht zu straucheln, doch ehe er sich versah, flog er auch schon durch die Luft. Es ging alles so schnell, dass Griet nur mit offenem Mund danebenstehen konnte. Ihm zu helfen war unmöglich.
    Don Luis hing kopfüber zehn Fuß über der Erde. Er musste in eine versteckte Falle getreten sein. Neben Griet schlug ein länglicher grauer Gegenstand zu Boden. Verwirrt bückte sie sich. «Mein Messer», keuchte Don Luis. «Hebt es auf!»
    Griet gehorchte, doch noch bevor sie einen Weg fand, den Spanier aus seiner misslichen Lage zu befreien, drang das wütende Gekläff eines Hundes an ihr Ohr. Das Gebell kam näher. Im Unterholz raschelte es.
    «Verschwindet, lasst mich hier zurück», rief Don Luis, dem die Scham darüber, wie ein Kaninchen gefangen worden zu sein, stärker zusetzte als der Schmerz an seinem Knöchel. Aber Griet rührte sich nicht. Das Messer in der Hand, blieb sie stehen, bereit, ihr und Don Luis’ Leben damit zu verteidigen.
    Aus dem Dickicht brachen drei Gestalten hervor. Zwei kräftige Burschen, mit Schwertern bewaffnet, bildeten die Vorhut. Ihnen folgte Jan Kollinck, der seinen Arro mit Mühe am Halsband festhielt. Der schwarze Hund gebärdete sich so wild, als hätte er tatsächlich zwei Kaninchen vor sich. Erst als Jan ihm drohend zurief, die Schnauze zu halten, beruhigte sich das Tier. Dafür wurde Griet von Jans Begleitern gepackt. Einer von beiden entwand ihr mühelos das Messer, während der andere Mann sie zu Boden stieß.
    «Sagtest du nicht, du hättest die Schnüffler aus der Stadt eingesperrt?», herrschte er Jan an, der schweigend zusah, wie sein Freund den Fallstrick, an dem Don Luis hilflos wie ein Kind baumelte, durchtrennte. Stöhnend fiel der Spanier zu Boden und landete in einer Lache.
    «Weiß der Teufel, wie sie sich befreit haben», verteidigte sich der Sohn des Müllers. «Mich trifft keine Schuld. Ich wollte doch nur Vater warnen, erst wieder ins Dorf zurückzukehren, wenn die Fremden verschwunden sind.»
    «Am besten wird sein, wir schneiden ihnen gleich hier die Kehlen durch und verscharren sie. Ihren Karren kann Arnout im Tümpel hinter eurem Haus versenken. Dann werden alle denken, sie seien weitergereist. Deine Mutter wird davon gar nichts mitbekommen. Ist auch besser, so zart besaitet, wie sie ist.»
    Sein Kumpan grunzte zustimmend. Er hatte Don Luis dessen eigenes Messer an die Kehle gesetzt und wartete nur auf den Befehl, zuzustoßen.
    Doch zu seinem Bedauern blieb dieser Befehl aus. Stattdessen löste sich die Gestalt eines weiteren Mannes aus dem Dunkel des Waldes. Auch er war groß und von gedrungener Statur, wirkte jedoch mit seinem silbergrauen Haar, den buschigen schwarzen Augenbrauen und dem scharfgeschnittenen Kinn bei weitem nicht so plump wie Jans Begleiter. Davon abgesehen schien er über eine gewisse Autorität zu verfügen, da sowohl sie als auch der junge Müllersohn ihn respektvoll anschauten. Es war Arro, der Griet verriet, wen sie vor sich hatten. Der Hund riss sich von Jan los, trottete auf den Fremden zu und leckte ihm die Hand.
    «Ihr seid also der Dorfälteste von Horebeke», stieß sie erschöpft hervor. «Wir haben Euch gesucht.»
    Der Mann gab Jans vierschrötigem Begleiter, der Griet mit derbem Griff an der Schulter

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