Die Stadt der schwarzen Schwestern
wahr?», brach Don Luis schließlich das Schweigen. «Dort draußen gibt es ein Lager, vielleicht sogar eine kleine Ansiedlung. Vergessen von der Welt.»
Der Hausherr hob den Kopf. «Von der Welt? Ja, das mag sein. Doch nicht von Gott, junger Freund. Wir tun, was unser Gewissen uns befiehlt, und werden nicht zulassen, dass jemand unsere Schutzbefohlenen aufspürt und den Spaniern überantwortet.» Er brach ein Stück Brot aus dem Laib, der auf einem Holzbrett vor ihm lag, und steckte es sich in den Mund. «Wir können nicht erlauben, dass Ihr auf der Suche nach diesen Frauen durch die Wälder streift und möglicherweise auf etwas stoßt, was nicht für Eure Augen bestimmt ist.»
«Wollt Ihr damit andeuten, dass die sieben Frauen etwas gesehen haben, was sie mit dem Leben bezahlen mussten?», entfuhr es Griet. Ihr Mund war trocken. Liebend gern hätte sie einen Schluck Milch oder Kräuterbier getrunken, aber sie traute sich nicht, darum zu bitten. In ihrem Kopf jagten sich die Gedanken. Wenn die Nonnen durch einen dummen Zufall von ihrem Weg abgekommen und auf ein Rebellennest gestoßen waren, waren sie nun tot. Damit bewahrheitete sich die Vermutung des Statthalters. Er würde nicht ruhen, ehe nicht das letzte Dorf zwischen Oudenaarde und Brüssel geplündert, der letzte Weiler in Flammen aufgegangen war. Ganz zu schweigen von dem, was er sich für die Stadt und ihre Einwohner ausgedacht hatte.
Doch zu Griets Überraschung schüttelte der grauhaarige Mann den Kopf. «Nein, so ist es nicht gewesen. Unsere Leute haben den Ordensfrauen nichts angetan.»
«Was ist dann mit ihnen geschehen? Sind sie dort draußen im Wald?»
Carel warf seinem Sohn einen Blick zu, bevor er antwortete. «Die Buschgeusen, wie die Aufständischen in den Wäldern sich nennen, haben vor einigen Tagen Männer ausgeschickt, die spanische Patrouillen auf dem Weg von Brabant nach Flandern beobachten sollten. Dabei sahen sie zwei Reisewagen, die das Wappen der Generalstatthalterin Margarethe von Parma trugen. Sie wunderten sich noch über den bewaffneten Geleitschutz, der die Wagen begleitete. Die Geusen folgten den Wagen in einiger Entfernung, bis diese in der Nähe eines ritterlichen Landguts bei Elsegem die Straße verließen. Die Wachen sollen sehr unruhig gewesen sein und sich dauernd umgeblickt haben. Unsere Leute entdeckten sie jedoch nicht. Die Geusen sind daran gewöhnt, sich zu tarnen. Sie warteten noch ein Weilchen. Zugegeben, sie waren an den Wagen interessiert, den Nonnen hätten sie nichts zuleide getan. Sie sahen die Frauen in das Gutshaus gehen. Dort schien bereits jemand auf sie zu warten. Doch es war kein freundlicher Empfang. Plötzlich drangen laute Stimmen und grässliche Schreie aus dem Gebäude.»
«Großer Gott», flüsterte Griet fassungslos.
«Es klang, als würden in dem Haus Menschen niedergemacht. Unsere Leute beschlossen, den Frauen zu helfen, aber als sie das Haus erreichten, sahen sie nur noch, wie sich einige Reiter mit wehenden schwarzen Mänteln aus dem Staub machten.»
Don Luis gab einen erstickten Laut von sich. Er war bleich geworden. Griet fiel auf, dass er unaufhörlich die Hände zu Fäusten ballte und sie gegeneinanderschlug. Der Bericht des Müllers schien ihn nicht weniger zu berühren als sie selbst. «Dann sind sie … wirklich tot?», krächzte er, wobei sein Tonfall plötzlich den weichen, melodischen Klang der spanischen Sprache annahm. Erschrocken stieß Griet ihn an. Vergaß er etwa, dass er sich verriet, wenn er so daherredete?
Zu seinem Glück schienen die Männer am Tisch nichts davon bemerkt zu haben. Carel nickte lediglich, um Don Luis’ Frage zu beantworten.
«Aber das kann nicht sein», begehrte Don Luis temperamentvoll auf. «Ihr müsst Euch irren!»
Griet war den Tränen nahe. In ihrem Herzen hatte sie es längst geahnt, es war sinnlos, sich etwas vorzumachen und die Wahrheit nicht zu akzeptieren. Und wenn Don Luis sich nicht zusammennahm, würde man ihn wieder in den Wald hinausschleppen und dort doch noch als Spion aufknüpfen. Damit war niemandem geholfen.
«Mein Vater hat Euch gesagt, was wir wissen», fuhr Jan den Fremden an. «Könnt Ihr nicht Ruhe geben?»
Das fiel Don Luis sichtlich schwer. Sein Blut schien zu kochen. Tatsächlich konnte sich Griet nicht erinnern, den jungen Mann schon einmal so in Rage erlebt zu haben. Er stand auf und pflanzte sich wütend vor Jan auf. «Hast du dich vielleicht davon überzeugt, dass die Frauen getötet wurden? Wenn nicht, rate ich
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