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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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früheren Regentin Maria von Ungarn, mit der Isabelle van den Dijcke angeblich sogar gut befreundet gewesen war. Während die Welt Isabelle zu Füßen gelegen war, hatte ihre Tochter angefangen, die Schönheiten ebendieser Welt in bunten Wandteppichen zu verewigen. Wissend, dass diese sie nicht enttäuschen und niemals dunkle Wolken dort aufziehen würden, wo sie sich Sonne wünschte. Auf diese Weise war sie ihrer unnahbar schönen Mutter für eine kurze Zeit ebenbürtig, ja vielleicht sogar überlegen gewesen. Griet runzelte die Stirn. Im Gegensatz zu ihrem Vater dachte sie für gewöhnlich nie an Isabelle. Nur hin und wieder, wenn sie nachts wach lag und dem Wind lauschte, der wie jetzt an Türen und Fenstern rüttelte, glaubte sie, ihr perlendes Lachen zu hören.
    Es blieb ihr nichts übrig, als die Frage des Arztes mit einer nichtssagenden Floskel zu beantworten. Insgeheim aber dachte sie, dass Anne van Aubrement aufs Land gehörte und nicht in die höfische Gesellschaft zu Brüssel.
    «Meine Schwester behauptet zwar, ihr würde nichts im Gutshaus entgehen, aber vielleicht hat unsere unglückselige Verwandte das kostbare Buch ja irgendwo versteckt?», schlug Gilles vor. Er hatte seinen Gästen angeboten, die Nacht unter seinem Dach zu verbringen, da sie es kaum trockenen Fußes zum Gasthaus schaffen konnten. Die Einladung schloss Hieronymus Ferm ein. Gilles schien große Stücke auf den Arzt zu halten und hatte ihn offenbar gern in seiner Nähe, obwohl er selbst trotz seines Alters wesentlich gesünder aussah als Ferm.
    Don Luis schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht, dass Bernhild dafür noch Zeit fand», sagte er. «Es gibt einen Bericht von Augenzeugen, die erklärten, dass die Nonnen bereits in Eurem Haus von ihren Widersachern erwartet wurden. Demzufolge haben sich die Männer Zutritt verschafft und erst einmal abgewartet, bis die Waffenknechte eingeschlafen waren. Sie hätten es bemerkt, wenn Bernhild das Buch im Haus versteckt hätte.»
    «Vermutlich blieb der Ärmsten nichts anderes übrig, als den Männern das auszuhändigen, was sie haben wollten», sagte Ferm in bedächtigem Ton. «Anschließend tötete man sie, um keine Zeugen am Leben zu lassen.»
    «Und das alles spielte sich in meinem Haus ab», stöhnte Gilles van Aubrement auf. «Wie konnten diese Teufel nur wissen, was die Nonnen planten und dass sie hier rasten würden? Jemand muss es ihnen doch verraten haben.»
    «Schaut mich nicht so misstrauisch an!» Don Luis runzelte die Stirn, gleichzeitig warf er Griet einen um Nachsicht bettelnden Blick zu, den diese aber überging. «Ich habe mit keiner Menschenseele darüber gesprochen. Bernhild wollte zunächst Richtung Oudenaarde reisen, um keinen Verdacht zu erwecken. Das war mir durchaus bekannt. Sie sagte mir, wenn ich zehn Tage nach ihrer Abreise zum Landgut von Elsegem reiten würde, würde ich dort auf jemanden treffen, der mir ihre Briefe aushändigen und mir nähere Informationen über den Verbleib meiner Mutter geben würde. Dann wären sie und ihre Schwestern in Sicherheit.»
    Griet nickte. Was Don Luis sagte, klang einleuchtend. Sie fand sogar einen Hauch von Verständnis für die Nöte des Mannes, was sie selbst überraschte, wenn man sich vor Augen hielt, wie schamlos er sie getäuscht hatte. Warum hatte er sich ihr nicht anvertraut? Nicht einmal nach der Nacht in der Bauernscheune, als er sie geküsst hatte und es im Stroh beinahe zu mehr gekommen war, hatte er sein Schweigen gebrochen. Das war unverzeihlich. Oder nicht? Griet kämpfte mit den Tränen. Hatte womöglich ihr Vater doch recht gehabt, als er ihr gegenüber de Lijs’ Vorzüge angepriesen hatte? De Lijs war von einer ungeschlachten Grobheit. Er hatte sie erschreckt und von seinem Verlangen überwältigt schlecht behandelt. Aber er hatte ihr auch niemals etwas vorgemacht, er hatte sie nie belogen. Und er wollte sie haben, was man von Don Luis offenkundig nicht behaupten konnte.
    «Was auch immer geschehen ist, ich fürchte, wir werden es nie herausfinden», sagte sie trocken. Sie erhob sich, als Anne wieder in die Halle kam. Die Schwester des Hausherrn hatte sich inzwischen umgezogen und ihre Haare getrocknet.
    «Wenn Ihr erlaubt, Herr Gilles, würde ich gern Briefe an meinen Vater und meine Magd schreiben», sagte sie leise. «Sobald der Sturm sich gelegt hat und ich meine Angelegenheiten geklärt habe, werde ich nach Oudenaarde zurückkehren und mich meiner Verantwortung stellen.»
    «Ich bitte Euch, tut das nicht»,

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