Die Stadt der schwarzen Schwestern
rief Don Luis. Er ging Griet nach und berührte sie am Arm. Sie wirbelte herum, wobei sie ihn trotzig ansah. «Sagt mir bitte nicht, was meine Pflicht ist. Falls Ihr befürchtet, ich könnte dem Statthalter etwas von dem Abkommen erzählen, das Ihr mit dieser Bernhild getroffen hattet, so braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Ich werde schweigen. Alessandro Farnese würde mir ohnehin kein Wort glauben.»
«Würde er mir denn glauben, wenn ich behauptete, die Schwestern seien eines merkwürdigen Buches wegen umgebracht worden?» Zum ersten Mal, seit Griet den jungen Mann kannte, sah dieser verängstigt aus. «Er würde mich auslachen und seine Männer zu einer Strafexpedition in die umliegenden Dörfer aussenden. Es sei denn, wir würden ihm mit den Schuldigen auch das Buch als Beweisstück bringen.»
«Kein Mensch hat dieses Buch des Aufrechten jemals gesehen. Möglich, dass es nur in der Einbildung dieser Bernhild existierte.»
«Ihr habt vergessen, dass nicht alle schwarzen Schwestern hier ums Leben kamen. Eine der Frauen hat überlebt und ist geflohen. Ich möchte schwören, dass sie uns Näheres zu dem Buch sagen könnte.»
Griet musste ihm wohl oder übel zustimmen. Sie konnte sich momentan auch keinen anderen Grund vorstellen, warum jemand den Nonnen nach dem Leben trachten sollte. Doch die Frau, wer immer sie auch sein mochte, war auf und davon. Wie sollten sie sie finden? Sie hatten keine Ahnung, wer sie war. Bernhild van Aubrement hatte Don Luis lediglich bestellt, sie werde eine ihrer Anvertrauten mit Briefen auf dem Landgut zu Elsegem zurücklassen. Vermutlich würde die Nonne auf der Flucht ihre Identität verändern, musste sie doch befürchten, dass man sie verfolgte.
Und das Buch? Über dessen Herkunft und Bedeutung etwas herauszufinden würde ein schwieriges Unterfangen sein, das Griet unter Umständen Tage, wenn nicht gar Wochen von Oudenaarde fernhalten konnte. Als sie Don Luis diese Bedenken anvertraute, schlug er vor, den Priester der Sint-Walburgakerk einzuweihen.
«Pater Jakobus war früher Mönch», sagte er. «Er ist ein wunderlicher Kauz, aber was alte Bücher und Schriften betrifft, gibt es in ganz Flandern kaum einen, der mehr davon versteht als er. Ob er mit dieser merkwürdigen Schrift etwas anfangen kann, weiß ich zwar nicht, aber wie die Dinge liegen, ist er unsere einzige Möglichkeit, etwas über dieses Buch zu erfahren.»
Griet gefiel der Plan. «Und was die geflohene schwarze Schwester angeht, so sollten wir zu der Abtei bei Brüssel reiten, welche den Nonnen damals Asyl gewährt hat. Vielleicht kann uns die Priorin ein paar Fragen beantworten.»
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Kapitel 21
Beelken musste mit einer Hand ihren Rücken stützen, sie fühlte sich immer schwerfälliger in ihren Bewegungen. Morgens, wenn sie aufstand, taten ihre Füße schon so weh, als sei sie die ganze Nacht auf den Beinen gewesen. Aber sie durfte sich keine Rast gönnen. Basse musste gewaschen und angezogen werden. Der Junge war schwierig geworden, seit seine Mutter Oudenaarde verlassen hatte. Häufig stellte er sich taub, wenn sie ihn rief. Auch das Essen verschmähte er neuerdings, was sie beunruhigte.
Die junge Frau seufzte, während sie einige Eier zerbrach. Sie hatte Basse versprochen, Pfannkuchen zu backen, wenn er gehorsam war und nicht mehr über den ganzen Klosterhof vor ihr davonrannte. Während sie Holz nachlegte, fiel ihr Blick auf den Brief, den ein Bote kurz nach Tagesanbruch überbracht hatte. Sie hatte den Mann nicht gekannt, er stammte aus einem Dorf, das nicht weit von Oudenaarde entfernt lag, hatte er gesagt. Beelken fragte sich, warum Griet nicht selbst gekommen war. Allem Anschein nach wollte sie noch weiter nach Norden reisen, weil sie jemanden suchten. Beelken setzte die Schüssel ab und griff nach der Büchse, in der sie das Mehl aufbewahrte. Sie war fast leer.
Viel Geld, um auf den Markt zu gehen, war nicht mehr im Haus. Griets Vater hatte sich bereits mehrere Male aus der Geldkasse bedient. Eines Nachts war er betrunken nach Hause gekommen und hatte etwas von einem Würfelspiel gelallt, wobei er verloren habe. Man brauchte nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wohin er das Geld ihrer Herrin trug. Obgleich er Beelken keine Rechenschaft schuldete, hatte er ihr geschworen, jeden Gulden zurückzuzahlen, sobald er wieder in Brüssel war und an sein Vermögen kam. Beelken glaubte ihm nicht, wollte die angespannte Lage im Haus jedoch nicht zusätzlich vergiften. Wieder
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