Die Stadt der schwarzen Schwestern
einen Brief gezeigt hatte, der nicht für seine Augen bestimmt war.
Aber sie tat es nicht.
Pater Jakobus murmelte vor sich hin. Falls er spürte, dass Beelken etwas quälte, so ging er darauf nicht ein. «Viel kann ich nicht für sie tun, mein Kind. Aber möglicherweise gibt es in Brüssel einen Mann, an den ich sie verweisen kann. Als wir noch jung waren und voller Begeisterung studierten, kannte er sich mit Schriften jeglicher Herkunft aus. Ich werde einen Boten nach Hertoginnedal senden, der Don Luis bestellen soll, wo er meinen Freund finden kann.»
Die Antwort des Paters erreichte Don Luis und Griet in Hertoginnedal an demselben Nachmittag, an dem es ihnen gelang, mit der Priorin der Abtei ein Gespräch zu führen. Die Frau, eine Französin, die seit ihrer frühen Jugend in Brabant lebte, erwies sich als redselig und freundlich, musste aber zugeben, dass die sieben Frauen, die unter ihrem Dach einst Zuflucht gefunden hatten, ihr und ihren Mitschwestern gegenüber stets distanziert geblieben waren.
«Die meisten meiner Schwestern waren nicht unglücklich, als Bernhild nach ihrer Rückkehr aus Namur bekanntgab, dass sie und ihre Nonnen nach Oudenaarde zurückkehren würden», erklärte sie mit einem entschuldigenden Lächeln.
Sie nahm Griet und Don Luis mit in die Gartenanlagen der Abtei, die trotz des Nebels, der sich seit dem Morgen wie Tau über die Rasenflächen und Beete legte, noch viel von ihrer Schönheit preisgaben. Griet stellte sich die Gärten im Frühling vor, wenn die Kirsch- und Mandelbäume kleine weiße und rosa Blüten bekamen und die vielen Pflanzen und Kräuter in den feingeharkten Beeten ihren würzigen Duft verströmten. Die Anlage schien der ganze Stolz der Abtei zu sein.
«Ihr habt mich vorhin nach einer schwarzen Schwester gefragt, die sich ein wenig von den anderen absonderte.» Die Priorin bückte sich nach einem Schneckenhaus, das vor ihr auf dem Weg lag. «Nun, da fällt mir eigentlich nur Schwester Cäcilia ein, unsere Gärtnerin.»
Griet war überrascht. Waren die Gärten etwa von der Frau angelegt worden, nach der sie suchten?
«Was könnt Ihr uns über diese Cäcilia sagen?»
Die Priorin lächelte milde. «Ich fürchte, nicht allzu viel. Sie kam nicht mit den anderen aus Oudenaarde, sondern klopfte mit dem Empfehlungsschreiben eines befreundeten Konvents an unsere Pforte. Schwester Bernhild freute sich wohl nicht besonders über die Ankunft einer weiteren schwarzen Schwester, sie blickte ziemlich entsetzt drein. Das fand ich merkwürdig, denn nach allem, was die Ordensfrauen durch die Bilderstürmer hatten erleiden müssen, hätten sie über jede Verstärkung froh sein können. Die meisten von ihnen empfanden Schwester Cäcilia aber als Last, und das ließen sie die Ärmste auch bei jeder Gelegenheit spüren.»
Don Luis hatte bislang nichts gesagt, dafür umso aufmerksamer zugehört. Hatte er bei allen zurückliegenden Missionen, die er für die spanische Krone erfüllt hatte, entschieden zu handeln gewusst, so musste er sich nun eingestehen, dass er nicht wirklich weiterkam. Zwar deckten sich die Angaben der Priorin mit dem, was der verwundete Waffenknecht in Elsegem geäußert hatte, von dieser Cäcilia wollte dennoch kein rechtes Bild entstehen. Sie war erst spät zu den schwarzen Schwestern gestoßen, und dort hatte man ihr das Leben schwer gemacht. Gut. Sie hatte geschickte Hände für die Arbeit im Garten. Auch gut. Doch darüber hinaus fiel selbst der Priorin, die doch einige Jahre lang mit der Frau unter einem Dach gelebt hatte, nichts ein. Nicht einmal Cäcilias Aussehen konnte sie genauer beschreiben. Sie sei nicht besonders groß gewesen und habe freundliche Augen gehabt, die während der Arbeit in den Gärten stets geleuchtet hätten. Darüber hinaus war sie sicher, dass Cäcilia mit keiner ihrer Mitschwestern oder mit den übrigen Bewohnern der Abtei je ein persönliches Wort gewechselt hatte.
Kurz darauf kündigte eine der Dominikanerinnen die Ankunft des Kuriers aus Oudenaarde an. Don Luis entschuldigte sich mit einer höflichen Verbeugung vor der Priorin, um die Antwort entgegenzunehmen, und ließ Griet im Garten zurück.
«Die schwarzen Schwestern sind also nie in Oudenaarde angekommen», sagte die Priorin, wobei in ihrer Stimme nicht die Spur von Überraschung mitschwang. «Sie sind tot, nicht wahr?»
Griet, die es zunächst vermieden hatte, über die Geschehnisse im Gutshaus zu Elsegem zu sprechen, sah nun keinen Grund mehr, ihr die Wahrheit zu
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