Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
wenig bis gar nicht verändert, denn sein Inneres mit den Säulen und den stalaktitförmigen Eiszapfen entsprach genau Iluacs Beschreibung. Der Höhleneingang glich einem zahnbewehrten Rachen. Dahinter fiel der eisglatte Boden mehr als dreißig Meter tief in einem Winkel ab, der den Füßen leicht den Halt raubte. Die Grotte schwamm in einem kalten, blaugrünen Licht, das durch die kuppelförmige Decke sickerte.
Am unteren Höhlenende, hinter der zerfurchten Eiswand, erblickten Quanga und die zwei Juwelenhändler die eingeschlossenen Umrisse einer Reihe von Männern. Mitten unter diesen erspähten sie auf Anhieb den hochgewachsenen, in Blau gewandeten Leichnam König Haalors und die dunkle, gebeugte Mumie von Ommum-Vog. Und dahinter waren undeutlich die Konturen weiterer Gestalten erkennbar, die auf ewig ihren Wald aus Speeren hoch erhoben hielten und sich als starre Kolonnen in unauslotbaren Tiefen verloren.
Haalor stand majestätisch und aufrecht und seine weit geöffneten Augen starrten stolz, im Tode wie im Leben. Auf seiner Brust glomm das Dreieck aus feurigen und bluthellen Rubinen unlöschbar in der eisigen Finsternis – und die kälteren Augen von Topasen, Beryllen, Diamanten und Chrysoliten strahlten und blinzelten von seiner azurblauen Robe herab. Fast wollte es scheinen, als wären die sagenhaften Edelsteine kaum weiter als eine gefrorene Armlänge von den gierigen Fingern des Jägers und seiner Gefährten entfernt.
Stumm und verzückt starrten sie den Schatz an, das Ziel ihrer langwierigen Reise. Nicht nur die Rubine, auch die übrigen Edelsteine an Haalors Gewand veranlassten die Juwelenhändler zu fiebrigen Berechnungen – der Wert der geringeren Steine allein, erkannten sie erfreut, hätte es verlohnt, den beschwerlichen Marsch nebst Quangas Rüpeleien durchzustehen.
Der Jäger hinwieder wünschte, er hätte noch härter verhandelt. Doch auch die beiden Beutel voller Gold mussten ihn zu einem reichen Mann machen. Er würde sich hemmungslos dem Rausch der teuren Weine hingeben können, die, röter als jene Rubine, aus dem fernen Uzuldaroum in den Sonnengefilden des Südens kamen. Die bronzehäutigen, schrägäugigen Mädchen aus Iqqua würden sich auf sein Fingerschnippen hin für ihn im Tanze drehen, und er könnte am Spieltisch hohe Summen setzen.
Keinem der drei drang das Unheimliche ihrer Lage zu Bewusstsein – allein in jener polaren Einöde, nur sie und die gefrorenen Leichen. Ebenso blind waren sie gegenüber der makabren Art des Diebstahls, den zu begehen sie im Begriff standen. Ohne dass seine Gefährten ihn erst ermutigen mussten, holte Quanga mit dem scharfen und besonders gehärteten Bronzepickel aus und begann mächtige Hiebe gegen die durchsichtige Eiswand auszuteilen.
Schrill klirrte das Eis unter den Pickelhieben und brach in kristallartigen Splittern und diamantförmigen Brocken zu Boden. Binnen weniger Minuten hatte Quanga ein großes Loch geschlagen. Nur noch eine dünne Eishülle, von Sprüngen durchzogen und bröckelnd, schützte den Leichnam König Haalors. Diese Hülle begann Quanga alsdann sehr behutsam fortzuklopfen, und bald bot das Dreieck aus riesigen Rubinen, nur noch vereinzelt behaftet von festgefrorenen Eisstücken, sich dem Zugriff seiner Finger dar.
Während die stolzen, kalten Augen König Haalors hinter ihrer glasigen Maske den Jäger reglos anstarrten, ließ jener die Spitzhacke fallen, zog sein scharfes Schwert mit der blatt-förmigen Klinge aus der Scheide und machte sich daran, die dünnen Silberdrähte zu durchtrennen, mit denen die Rubine kunstfertig an der Robe des Königs befestigt waren. In seiner Übereilung riss er Fetzen des meerblauen Stoffes ab und enthüllte das darunterliegende, gefrorene und leichenblasse Fleisch. Einen nach dem anderen reichte er jeden Rubin, den er ablöste, an Hoom Fethos weiter, der dicht hinter ihm stand – und der Händler, ein gieriges Leuchten in den Augen und vor Wonne speichelnd, barg sie sorgsam in einem großen Beutel aus gefleckter Eidechsenhaut, den er zu diesem Zweck mitgeführt hatte.
Der letzte Rubin verschwand in dem Beutel, und Quanga wandte sich jetzt den weniger wertvollen Edelsteinen zu, die in sonderbaren Mustern und in Form priesterlicher und astrologischer Symbole die Königsrobe schmückten. Quanga und Hoom Fethos waren ganz in ihre jeweilige Beschäftigung versunken, da riss ein laut knirschendes, berstendes Geräusch sie in die Gegenwart zurück … Es folgte ein tausendfaches Klirren, als wäre
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